XXXI. Kapitel: Vom König Herminigi1d,1 dem Sohne des Westgotenkönigs Leovigild, der von seinem Vater um des katholischen Glaubens willen den Tod erlitt
Gregorius. Wie ich von vielen, die von Spanien hierher reisen, erfahren habe, hat sich erst vor kurzem König Herminigild, der Sohn des Westgotenkönigs Leovigild, auf die Predigt Leanders hin, des hochwürdigsten Bischofs von Sevilla, meines langjährigen, vertrautesten Freundes, von der arianischen Irrlehre zum katholischen Glauben bekehrt. Der arianische Vater suchte ihn durch Versprechungen und Drohungen wieder zur Rückkehr in die Häresie zu bewegen. Da er aber mit S. 164 größter Standhaftigkeit erwiderte, er könne niemals den einmal erkannten rechten Glauben verlassen, nahm ihm der erzürnte Vater die Königsherrschaft und alles, was er besaß; und da er auch durch dieses Mittel seinen starken Geist nicht zu beugen vermochte, ließ er ihn in einen engen Kerker werfen und ihm Hals und Hände in Eisen schlagen. So lernte der junge König Herminigild das irdische Königreich verachten, und voll starker Sehnsucht das himmlische suchend lag er im Büßergewand in seinen Fesseln, bat den allmächtigen Gott um Stärke und verachtete um so mehr die Herrlichkeit der vergänglichen Welt, als er gerade in seinem Kerker die Nichtigkeit dessen erkannte, was ihm hatte genommen werden können. Da nun aber das Osterfest nahte, sandte der ketzerische Vater in der Stille der Nacht einen arianischen Bischof zu ihm, damit er aus seiner Hand sakrilegisch die heilige Kommunion empfange und so verdiene, beim Vater wieder in Gunst zu gelangen. Aber der Mann, der sich Gott geweiht hatte, wies den arianischen Bischof bei seinem Erscheinen nach Gebühr zurecht und verwarf seine Ketzerei mit entsprechendem Tadel; denn wenn er auch äußerlich in Fesseln lag, stand er in seinem Innern unerschütterlich auf großer Geisteshöhe. Als der arianische Bischof zurückkehrte, schäumte der arianische Vater vor Zorn und sandte seine Schergen, den standhaften Bekenner Gottes in seinem Kerker zu töten; und das geschah auch. Denn kaum waren sie bei ihm eingetreten, spalteten sie ihm mit einem Beil das Haupt und nahmen ihm das leibliche Leben; denn nur das konnten sie an ihm töten, was der Ermordete selbst an sich gering geschätzt hatte. Es blieben aber die Wunder von oben nicht aus, um seine wahrhaft erlangte Herrlichkeit zu zeigen. Denn man hörte in der Stille der Nacht Psalmengesang beim Leichnam des Königs und Märtyrers, der deshalb wahrhaftig König ist, weil er auch Märtyrer ist. Einige erzählen auch, daß sich dort zur Nachtzeit brennende Lampen zeigten; so kam es, S. 165 daß sein Leichnam als der eines Märtyrers mit Recht von allen Gläubigen verehrt wurde. Sein Vater, der Ketzer und Mörder, wurde zwar von Reue ergriffen und es schmerzte ihn seine Tat, jedoch nicht so, daß er dadurch das Heil erlangt hätte. Denn er sah zwar ein, daß der katholische Glaube der wahre sei, aber er ließ sich durch die Furcht vor seinem Volke einschüchtern und verdiente nicht, zu jenem zu gelangen. Als er krank wurde und es mit ihm zum Sterben kam, empfahl er seinen Sohn, den König Reccared, den er in der Irrlehre hinterließ, dem Bischof Leander, den er früher so sehr gekränkt hatte, und ließ ihn bitten, er möge an ihm das gleiche tun, was er durch seine Ermahnungen an dessen Bruder getan habe. Als er diese Anempfehlung ausgesprochen hatte, starb er. Nach seinem Tode folgte der König Reccared nicht seinem häretischen Vater nach, sondern dem Bruder und Märtyrer, bekehrte sich von der verwerflichen arianischen Irrlehre und führte das ganze Volk der Westgoten zum wahren Glauben, ja, er gestattete keinem in seinem Reiche Kriegsdienste zu tun, der sich vermesse, durch ketzerische Gesinnung ein Feind des Reiches Gottes zu sein. Kein Wunder, daß der Bruder eines Märtyrers ein Verkündiger des Glaubens wurde; denn die Verdienste des Bruders sind ihm auch behilflich, so viele in den Schoß des allmächtigen Gottes zurückführen zu können. Dabei müssen wir erwägen, daß das alles nicht so gekommen wäre, wenn der König Herminigild nicht für die Wahrheit den Tod erlitten hätte. Denn es steht geschrieben: „Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, so bleibt es allein; wenn es aber stirbt, so bringt es viele Frucht.”2 Wir sehen, daß an den Gliedern sich erfüllt, was am Haupte geschehen ist. Beim Volke der Westgoten starb nämlich einer, damit viele leben; und da ein Körnlein gläubig fiel, um das Leben der Seelen zu erlangen, ist eine reiche Saat daraus aufgegangen. S. 166
Petrus. Ein wunderbares Ereignis, staunenswürdig in unsern Zeiten!