Siebenter Artikel. Äußere Güter werden zur vollendeten Seligkeit nicht erfordert.
a) Dies scheint trotzdem; denn: I. Die Seligkeit wird als Lohn verheißen. Den Heiligen aber sind äußere Güter versprochen, wie Speise und Trank, Reichtümer und königliche Macht: „Damit ihr esset und trinket an meiner Tafel in meinem Reiche“ sagt der Herr selbst bei Lukas 22.; und Matth. 6. heißt es: „Sammelt euch Reichtümer für den Himmel;“ ebenso Matth. 25.: „Kommet, Gesegnete meines Vaters, besitzet das Reich.“ II. Die Seligkeit ist nach Boëtius „der durch Ansammlung aller Güter vollendete Zustand“. Die äußeren Güter aber sind, wenn auch die geringsten (nach Augustin 2. de lib. arb. 19.), doch Güter. III. „Euer Lohn ist reich im Himmel“ steht geschrieben Matth. 5. „Im Himmel sein“ aber heißt an einem Orte sein. Also wenigstens der äußere Ort wird für die Seligkeit erfordert. Auf der anderen Seite sagt der Psalmist (72): „Denn was ist mir aufbewahrt im Himmel und was will ich von Dir auf Erden?“; als ob er fragen wollte: Kein anderes Gut als welches jetzt kommt: „Mir ist es gut, Gott anzuhängen.“ Nichts also außer Gott wird zur Seligkeit erfordert.
b) Ich antworte; zur unvollendeten Seligkeit, wie sie in diesem Leben besessen werden kann, gehören allerdings, nicht zwar als das Wesen derselben bildend, jedoch wie Werkzeuge, die äußeren Güter. Denn der Mensch bedarf auf Grund der Existenz seines Körpers notwendigerweise vieler äußeren Dinge, sowohl damit seine Vernunft rein für sich betrachten als auch damit dieselbe das nach außen gerichtete Wirken leiten kann. Zur vollendeten Seligkeit aber sind die äußeren Güter keineswegserfordert. Denn dieselben dienen entweder zur Erhaltung des sinnbegabten Körpers, oder zu einigen Thätigkeiten, die wir vermittelst des Körpers vollziehen und die dem menschlichen Leben zukömmlich sind. Jene Thätigkeit aber, in welcher die Seligkeit besteht, wird sich entweder in der vom Körper getrennten Seele finden; oder in der Seele, die nicht mehr mit einem den Sinnen unterworfenen, sondern mit einem geistigen Körper verbunden ist. Die äußeren Güter also, da sie nur zum sinnlichen Leben Beziehung haben, sind in der vollendeten Seligkeit nicht erfordert. Und weil in diesem Leben mehr sich nähert jener vollendeten Seligkeit derjenige, welcher ein beschauliches Leben führt, als wer ein nach außen hin thätiges, ist ein solcher doch auch Gott ähnlicher; so ist es auch seliger in diesem Leben, der äußeren Güter in minder hohem Grade zu bedürfen.
c) I. Jene Verheißungen körperlicher Güter sind figürlich zu verstehen, damit wir, wie Gregor der Große sagt, „aus dem, was wir kennen, emporsteigen zum Verlangen nach dem, was wir nicht kennen.“ So bedeutet Speise und Trank die Freude und das Ergötzen, was die Seligkeit bieten wird; der Reichtum bedeutet, wie die Seligkeit allseitig befriedigt und anfüllt; die Erhebung zur Herrschaft, wie der Mensch erhoben werden wird bis zur Einigung mit Gott. II. Was auch immer an Gutem in diesen Gütern sich findet, das wird auch in der Seligkeit sein, wo dies Alles besessen werden wird in der Urquelle alles Guten. An und für sich aber kommen diese Güter in ihrem gegenwärtigen Bestande dem geistigen Leben nicht zu. III. Unter dem „Himmel“ wird da nach Augustin (I. serrmo dom. in monte) verstanden „nicht der körperliche Himmel, sondern die Erhabenheit der geistigen Güter“.
