4.
Da er also in dieser Weise gezwungen das Joch auf sich genommen hatte, und hierauf die gesetzlichen Vorschriften an ihm vollzogen worden waren, so erflehte er von Dem, welcher ihm das Priesterthum übertragen, einige Zeit, um das Geheimniß genauer zu erforschen, und er glaubte nicht mehr, wie der Apostel sagt, an Fleisch und Blut sich halten zu dürfen,1 sondern er flehte, es möchte ihm von Gott die Offenbarung der Geheimnisse zu Theil werden, und er hatte nicht eher den Muth, das Wort zu verkünden, als bis ihm durch eine Erscheinung die Wahrheit geoffenbart würde. Als er nun einst in einer Nacht über das Wort des Glaubens nachsann und verschiedene Gedanken sich in seinem Kopfe bewegten, ― denn es gab auch damals Einige, welche die fromme Lehre verfälschten und durch Scheingründe oft auch bei den Verständigen Zweifel gegen die Wahrheit erregten, ― als er damals in seiner Nachtwache über die Wahrheit nachdachte, erschien ihm im wachen Zustand Jemand in menschlicher Gestalt, mit dem Aussehen eines Greises, in ehrwürdigem Anzug, der durch die Anmuth seines Antlitzes und seine körperliche Haltung hohe Tugend ankündigte. Er aber gerieth beim Anblick in Furcht, erhob sich von seinem Lager und verlangte zu erfahren, wer er sei und weßhalb er komme. Als aber Jener seine Aufregung durch eine ruhige Ansprache beschwichtigte und erklärte, er sei ihm aus göttlichem Auftrag wegen seiner Zweifel erschienen, um die Wahrheit des frommen Glaubens ihm zu enthüllen, so flößten ihm die Worte Muth ein, und er schaute auf ihn mit Freude und Verwunderung. Hierauf streckte Jener die Hand gerade aus, als wollte er mit seinen S. 518 gerade ausgestreckten Fingern auf eine gegenüber befindliche Erscheinung deuten. Da folgte auch er mit seinem Blicke der ausgestreckten Hand und sah der ersten Erscheinung gegenüber eine zweite mehr als menschliche Erscheinung in weiblicher Gestalt. Und wieder wurde er von Furcht ergriffen und schlug die Augen nieder, denn der Anblick brachte ihn aus der Fassung und seine Augen konnten die Erscheinung nicht ertragen. Und besonders überraschend zeigte sich die Erscheinung darin, daß in tiefer Nacht die ihm erscheinenden Gestalten Licht ausstrahlten, wie wenn eine helleuchtende Lampe angezündet wäre. Da er nun mit seinen Augen den Anblick nicht ertragen konnte, hörte er die Erscheinungen reden, wie sie mit einander den Gegenstand seiner Untersuchung erörterten. Dadurch wurde er nicht bloß in der wahren Kenntniß des Glaubens unterrichtet, sondern er lernte auch die Erscheinungen nach ihrem Namen kennen, da jede die andere bei ihrem Namen anredete. Denn er soll vernommen haben, wie die Erscheinung in weiblicher Gestalt den Evangelisten Johannes aufforderte, dem Jüngling das Geheimniß der Frömmigkeit zu offenbaren. Jener aber erwiderte, er sei bereit und wolle der Mutter des Herrn diesen Gefallen erweisen, da sie dieß wünsche, und nachdem er so den Gegenstand in entsprechender und eingehender Weise dargelegt hatte, verschwand er wieder aus seinen Augen. Dieser aber legte jene göttliche Unterweisung sogleich schriftlich nieder und verkündete nach derselben später das Wort in der Kirche und hinterließ jene von Gott mitgetheilte Lehre der Nachwelt als Erbtheil, indem in derselben bis jetzt das Volk jener Stadt unterwiesen wird und von jeder ketzerischen Bosheit sich rein erhält. Die Worte der Unterweisung aber sind folgende.
„Ein Gott ist, Vater des lebenden Wortes, der substanziellen Weisheit und Kraft, des ewigen Wesens, vollkommen, Erzeuger des Vollkommenen, Vater des eingebornen Sohnes, ein Herr, Einer von Einem, Gott von Gott, Gestalt und Bild der Gottheit, thätiges Wort, Weisheit, die S. 519 das Weltall umfaßt, und Kraft, die jedes Geschöpf hervorbringt; wahrer Sohn vom wahren Vater, unsichtbar vom Unsichtbaren, unverweslich vom Unverweslichen, unsterblich vom Unsterblichen und ewig vom Ewigen. Und ein heiliger Geist, der von Gott seinen Ursprung hat und durch den Sohn erschienen ist, nämlich den Menschen, Bild des Sohnes, vollkommen vom Vollkommenen, Leben, Ursprung der Lebenden, heilige Quelle, Heiligkeit, Heiligmacher, in dem sich offenbart Gott der Vater, der über Alles und in Allem, und Gott der Sohn, der Alles durchdringt, vollkommene Dreiheit, welche in Ruhm, Ewigkeit und Herrschaft nicht getheilt, noch geschieden ist. Also weder etwas Geschaffenes noch etwas Knechtisches ist so in der Dreiheit, noch Etwas, was von aussen kommt, so daß es früher nicht vorhanden war, später aber hinzukam. Es fehlte also niemals der Sohn dem Vater, noch dem Sohn der Geist, sondern unwandelbar und unveränderlich ist es immer die nämliche Dreiheit.“
Wer sich aber hievon überzeugen will, der höre die Kirche, in welcher er das Wort verkündete, wo selbst die Schriftzüge jener seligen Hand noch bis heute aufbewahrt werden. Wetteifern diese nicht mit jenen von Gott verfertigten Tafeln an Größe der Gnade? Ich meine jene Tafeln, in denen die Gesetzgebung des göttlichen Willens eingegraben war? Denn wie das Wort von Moses sagt, er habe, als er sich ausserhalb der sichtbaren Welt befand, und seine Seele ins unsichtbare Heiligthum gedrungen war, ― denn das wird durch das Dunkel2 angedeutet, ― die göttlichen Geheimnisse kennen gelernt und durch seine Vermittlung dem ganzen Volke die Kenntniß Gottes beigebracht, so kann man den nämlichen Vorgang auch bei diesem großen Manne wahrnehmen. Ihm diente als Berg nicht ein wahrnehmbarer Gegenstand oder eine Erhebung der Erde, S. 520 sondern die Höhe des Verlangens nach der wahren Lehre, als Dunkel der den Andern unzugängliche Anblick, als Tafel aber die Seele, als Schriftzüge auf den Tafeln die Stimme der Erscheinung. Durch Dieß alles wurde ihm und den von ihm Unterwiesenen die Verkündung der Geheimnisse zu Theil. Da er also durch jenes Gesicht mit Muth und Zuversicht erfüllt wurde, ging, wie ein Wettkämpfer, der unter einem Lehrer zu den Kämpfen hinlängliche Geschicklichkeit und Gewandtheit sich erworben hat, muthig auf den Kampfplatz dringt und mit den Gegnern kämpft, in gleicher Weise auch er, nachdem er durch seine eigene Bemühung und die Mitwirkung der ihm erschienenen Gnade seine Seele hinlänglich gesalbt hatte, so in den Kampf. Denn man kann sein ganzes Priesterleben nichts Anderes nennen, als Kampf und Streit, da er in demselben durch den Glauben die ganze Macht des Widersachers bezwang.
