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Indem er auf diese Weise die Kirche regierte und thätig war, um vor dem Hinscheiden aus dem Leben Alle von den Götzen zum heilbringenden Glauben bekehrt zu sehen, erforschte er, da er sein Hinscheiden vorhersah, sorgfältig die S. 553 ganze umliegende Gegend, um zu erfahren, ob es noch Einige gebe, die den Glauben noch nicht angenommen hätten. Als er nun erfuhr, es seien Derer, welche im alten Irrthum verharrten, nicht mehr als siebzehn, sagte er, zu Gott aufblickend, es sei zwar auch dieß betrübend, daß die Zahl der Geretteten nicht voll sei, doch sei es großen Dankes würdig, daß er seinem Nachfolger im Kirchenregiment so viele Götzendiener hinterlasse, als er selbst Anfangs Christen hatte. Und er flehte auf die Gläubigen Zunahme in der Vollkommenheit und auf die Ungläubigen die Bekehrung herab, und ging so aus dem menschlichen Leben zu Gott hinüber, nachdem er seinen Vertrauten eingeschärft hatte, sie möchten nicht eine besondere Grabesstätte für ihn erwerben. Denn wenn er während seines Lebens nicht Eigenthümer irgend eines Ortes habe heissen wollen, sondern in fremdem Eigenthum gewohnt und gelebt habe, so werde er auch nach dem Tode sich durchaus nicht schämen, in fremdem Eigenthum zu weilen, sondern es soll, sagte er, in Zukunft heissen, daß Gregor nicht nur in seinem Leben nach keinem Orte den Beinamen erhielt, sondern auch nach seinem Tode in einem fremden Grabe seine Ruhestätte nahm und sich so sehr jedes irdischen Besitzes entäusserte, daß er nicht einmal in einem eigenen Grabe beerdigt sein wollte, denn er habe nur den Besitz für werthvoll gehalten, der keine Spur von Habsucht an sich trägt.
Daß aber das ganze Volk von der Thorheit der Heiden plötzlich zur Erkenntniß der Wahrheit geführt wurde, darüber möge sich Jedermann verwundern, der davon Kunde erhält; aber Niemand möge es unglaublich finden, wenn er auf die Vorkehrungen sieht, durch welche bei Denen, die sich von der Lüge zur Wahrheit bekehrten, diese Umwandlung veranlaßt wurde. Denn was in den ersten Zeiten seines Priesterthums geschehen ist, und was wir in der Darstellung, da wir zu den übrigen Wundern eilten, übergangen haben, darauf will ich jetzt eingehen und es erzählen.
S. 554 Es gab ein Volksfest in der Stadt, das einer heimischen Gottheit zu Ehren nach dem Herkommen begangen wurde. Zu diesem strömte fast alles Volk zusammen, denn das ganze Land nahm an der Festfeier Theil. Angefüllt war das Theater von den Herbeigeströmten und von allen Seiten ergoß sich über die Sitze hin die herbeigeströmte Masse, und da Alle die Orchestra mit ihren Blicken zu erreichen suchten, um zu sehen und zu hören, was vorging, entstand auf dem Platze großer Lärm, und es konnten die Gaukler Nichts aufführen, indem das durch das Gedränge entstandene Gewirr nicht nur den Genuß der Musik verkümmerte, sondern nicht einmal den Gauklern es möglich machte, ihre Künste zu zeigen. Da bricht nun das ganze Volk in ein gemeinsames Geschrei aus und ruft den Götzen an, dem zu Ehren es das Fest beging, und verlangte, er möge ihnen Raum verschaffen. Als nun das Geschrei aus allen Kehlen in die Höhe drang, und die ganze Stadt gleichsam mit einem Munde den Ruf ausstieß, mit dem sie das Gebet zum Götzen emporsandte, ― es lautete aber das Gebet dem Wortlaute nach: Zeus, mache uns Platz! ― da schickte dieser große Mann, der von dem Lärm vernahm, mit dem sie den Namen des Götzen anriefen, den sie um Platzerweiterung für die Stadt baten, Einen aus seiner Umgebung und ließ ihnen sagen, es würde ihnen mehr Platz gewährt werden als je, und mehr, als sie wünschten. Als aber dieses Wort von ihm als eine unheilbringende Erklärung ausgesprochen worden war, wurde jene ganze Festversammlung von der Pest ergriffen und plötzlich mischte sich in den freudigen Jubel das Klagegeschrei, so daß ihre Belustigung sich in Trauer und Unglück verwandelte, indem statt des Flötenspiels und des Lärmens ununterbrochenes Jammergeschrei die Stadt erfüllte. Denn als einmal die Krankheit über die Menschen hereingebrochen war, verbreitete sie sich unerwartet schnell wie ein verheerendes Feuer über die Häuser, und es füllten sich die Tempel mit Denen, die an der Krankheit hinsiechten, die in der Hoffnung auf Genesung sich dahin S. 555 flüchteten; die Quellen, Kanäle und Brunnen wurden von Denen umlagert, welche in Folge der bedrängenden Krankheit der Durst verzehrte. Doch war bei ihnen das Wasser nicht im Stande, die Hitze der Krankheit zu dämpfen, indem der Zustand Derer, welche einmal von der Krankheit ergriffen waren, vor und nach dem Gebrauch des Wassers sich gleich blieb. Viele gingen selbst zu den Gräbern, weil die Überlebenden zur Beerdigung der Hingerafften nicht mehr ausreichten. Nicht unvermuthet wurden aber die Menschen vom Übel ergriffen, sondern erst, nachdem eine Erscheinung in dem Hause vorhergegangen war, das vom Übel sollte ergriffen werden, kam dann das Verderben zum Ausbruch.
Als nun Alle die Ursache der Krankheit deutlich einsahen, weil der von ihnen angerufene Götze das Gebet der Thörichten in schlimmer Weise erfüllte und der Stadt diese bedauernswerthe Platzerweiterung durch die Krankheit verschaffte, da kamen sie hilfeflehend zu dem großen Manne, er möge dem Laufe des Übels durch den von ihm erkannten und gepredigten Gott Einhalt thun, von dem sie bekannten, daß er allein der wahre Gott sei und über Alles Macht habe. Denn wenn jene Erscheinung vor dem dem Hause bevorstehenden Verderben sich zeigte und sogleich die Hoffnung auf Lebensrettung raubte, so fanden sie in der Gefahr einen einzigen Weg der Rettung, nämlich daß der große Gregor in jenem Hause erschien und durch Gebet die über jenes Haus hereingebrochene Krankheit entfernte. Als nun durch Jene, welche zuerst auf diese Weise Genesung fanden, das Gerücht hievon sich überallhin schnell verbreitete, gaben sie Alles auf, womit sie sich früher aus Thorheit befaßten, Orakel, Reinigungsopfer und Verkehr mit den Götzenbildern, indem sie alle auf den Hohenpriester sahen und Jeder zur Rettung seiner ganzen Familie ihn an sich zu ziehen suchte. Als Lohn wurde ihm aber von Seite der Geretteten das Heil ihrer Seelen zu Theil. Denn da durch die gemachte Erfahrung die Gottesfurcht des Priesters an das Tageslicht kam, gab es für sie keinen Aufschub mehr, S. 556 die Geheimnißlehre anzunehmen, da sie die Kraft des Glaubens durch die That kennen lernten. So zeigte sich bei diesen Menschen die Krankheit mächtiger als die Gesundheit. Denn so schwach sie zur Aufnahme der Geheimnißlehre durch Verstandesgründe in gesundem Zustande waren, so sehr wurden sie durch die körperliche Krankheit zum Glauben gestärkt. Und nachdem sie so vom Irrthum des Götzendienstes sich überzeugt hatten, nahmen sie alle den Namen Christi an, indem die Einen durch die hereingebrochene Krankheit sich zur Wahrheit führen ließen, die Andern aber den Glauben an Christus auch als Schutzmittel gegen die Pest anwendeten.
Es gibt aber auch noch andere Wunder des großen Gregor, deren Andenken sich bis in die Gegenwart erhielt, die wir aber aus Schonung für ungläubige Ohren, damit Die keinen Schaden leiden, welche wegen der Großartigkeit der erzählten Dinge die Wahrheit für Lüge halten, den gemeldeten nicht hinzufügen. Christo aber, der solche Wunder durch seine Diener wirkt, gebührt Ruhm, Ehre und Anbetung, jetzt und allzeit und in Ewigkeit. Amen.VIII. Trauerrede auf den großen Meletius, Bischof von Antiochia.
