11.
Als hierauf einmal eine Versammlung unter freiem Himmel in irgend einer Ortschaft des Landes stattfand und Alle seine Lehren bewunderten, rief ein Jüngling den Versammelten zu, daß der Lehrer dieß nicht aus sich selbst sage, sondern daß ein Anderer, der neben ihm stehe, die Rede vortrage. Als man aber nach Beendigung der Versammlung den Knaben herbeibrachte, soll der große Mann zu den Anwesenden gesagt haben, daß der Jüngling vom bösen Geiste nicht rein sei. Er soll dann das um seine eigene Schulter gelegte Linnen (das bischöfliche Omophorium?) genommen, es angehaucht und auf den Knaben gelegt haben. Als dieß geschehen war, gerieth der Junge in Verwirrung und begann aufzuschreien, stürzte nieder, wurde hin und her geschleudert, und es stießen ihm alle Zufälle eines Besessenen zu. Als hierauf der Heilige ihm die Hand auflegte und die Verwirrung beschwichtigt hatte, habe ihn der böse Geist verlassen, dieser aber, in den regelmäßigen Zustand wieder versetzt, habe gesagt, daß er bei dem heiligen Manne Den nicht mehr sehe, welcher an seiner Seite redete. Denn auch Dieß ja gehört zu seinen großen Wundern, daß er nicht durch irgend welche großartige Vorkehrungen seine wunderbaren Heilungen vollbrachte, sondern daß es zur Vertreibung der bösen Geister und zur Heilung der Körperkrankheiten genügte, den Hauch seines Mundes mittelst des Linnen dem Kranken zu nähern.
Aber alle seine Wunder der Ordnung nach aufzuzählen, würde eine umfangreiche Abhandlung und Rede erfordern, wozu es mir gegenwärtig an Zeit gebricht. Ich will daher noch eines oder zwei, wie sie von ihm erzählt werden, anführen und damit meine Rede schließen. Als nämlich schon überallhin die göttliche Predigt gedrungen war, und Alle in der Stadt und Umgebung den frommen Glauben an die S. 544 Lehre angenommen hatten, nachdem ihre Altäre, Tempel und Götzenbilder umgestürzt, das menschliche Leben von der Befleckung des Götzendienstes gereinigt, der unreine Opferdampf erloschen, der Schmutz der Altäre und die Unreinigkeit der Thieropfer abgewaschen war, und als Alle in der ganzen Gegend mit Eifer im Namen Christi Gotteshäuser errichteten, so wurde der damalige Beherrscher der Römer von Groll und Neid erfüllt, daß seine vaterländische falsche Gottesverehrung vernachläßigt würde, dagegen die Geheimnißlehre der Christen zunähme, und überall die Kirche auf Erden an Zahl der Bekenner wüchse, und ihr Umfang durch Jene, die beständig für das Wort gewonnen wurden, überall auf Erden zunähme. Und indem er es für möglich hielt, mit seiner Heftigkeit der göttlichen Macht zu widerstehen, die Predigt der Geheimnißlehre aufzuhalten, die errichteten Kirchen zu vernichten, und Die, welche sich dem Worte angeschlossen hatten, wieder zum Götzendienst zurückzuführen, so erläßt er daher an die Häupter der Völker einen Befehl, indem er ihnen eine schreckliche Strafe androht, wenn sie nicht mit jeder Art von Peinen die Anbeter des Namens Christi mißhandelten und sie wieder durch Furcht und den Zwang der Leibesstrafen zum väterliche Götzendienst zurückführten.
Als aber dieser furchtbare und gottlose Befehl an die Statthalter ergangen war, und über das ganze Reich sich Die verbreitet hatten, welche von der tyrannischen Grausamkeit eben dazu bestimmt waren, herrschte Einer über das Volk dieser Gegend, der solcher Gesinnung war, daß er zum bösen Unternehmen keiner höheren Machtbefugnis bedurfte, da er schon durch seine natürliche Anlage Grausamkeit, Härte und Abneigung gegen Die in sich trug, welche den Glauben an das Wort angenommen hatten. Und es ergeht von ihm in öffentlichen Erlassen der furchtbare Befehl, es müsse der Glaube abgeschworen werden, oder man habe alle möglichen Strafen und Todesarten zu gewärtigen. Und Nichts thaten und betrieben im öffentlichen und S. 545 Privatleben damals Die, welche die gemeinsamen Angelegenheiten zu besorgen hatten, als daß sie die treuen Anhänger ihres Glaubens bekämpften und straften. Als Schreckmittel dienten aber nicht bloß drohende Worte, sondern neben diesen bewirkte auch die mannigfache Zurüstung zum Strafvollzug jeden möglichen Schrecken und erfüllte die Menschen mit Furcht, bevor sie die Strafe erlitten: Schwert, Feuer, Bestien, Gruben, Folterwerkzeuge für die Gliedmaßen, feurige Sesseln von Eisen, aufgerichtete Holzpfähle, an welche die Leiber hingestellt, ausgespannt und durch die furchtbaren Hacken zerfleischt wurden. Und andere unzählige Erfindungen wurden zu den vielgestaltigen Martern von ihnen ersonnen und Die, welchen diese Vollmacht übertragen worden war, kannten nur ein Streben, daß wegen übermäßiger Härte Keiner als sanfter gelten möchte, als ein Anderer. Denn die Einen machten die Anzeiger, die Andern die Zeugen, Andere suchten die Verborgenen auf, wieder Andere stellten den Flüchtigen nach, noch Andere aber, welche auf das Eigenthum der Gläubigen sahen, verfolgten, um sich desselben zu bemächtigen, unter dem Vorwande der Frömmigkeit, die Anhänger des Glaubens. Unter dem Volke aber gab sich lauter Verwirrung und große Angst kund, indem sich Alle gegenseitig verdächtig waren, indem den Vätern in der Gefahr das Wohlwollen der Kinder nicht gesichert war, nicht das natürliche Verhältniß den Kindern Treue und Liebe der Väter verbürgte. Die Familien waren durch die Gottesverehrung unter einander getrennt und gespalten, und ein heidnisch gesinnter Sohn wurde zum Verräther gläubiger Eltern, und ein im Unglauben verharrender Vater zum Ankläger seines gläubigen Sohnes. Und ein Bruder empörte sich aus gleicher Ursache gegen die Natur, indem er es nicht für gesetzwidrig hielt, den Blutsverwandten der Strafe auszuliefern, wenn er die Gottesfurcht nicht verletzte. Deßhalb waren die Wüsten voll von Vertriebenen, leer die Häuser von Bewohnern, viele öffentliche Gebäude waren zur Aufnahme der Gefangenen bestimmt. Denn die Gefängnisse waren nicht im Stande, die S. 546 Menge Derer in sich zu fassen, die wegen des Glaubens zur Strafe gezogen wurden. Auf allen öffentlichen Plätzen und in Versammlungen von Amtspersonen und Privatpersonen befaßte man sich statt der gewöhnlichen fröhlichen Unterhaltung mit diesen Unglücksfällen, indem die Einen herbeigeschleppt, die Andern fortgeführt wurden, Andere wegen dieser Vorfälle sich fröhlich zeigten oder weinten. Man hatte kein Mitleid mit den Unmündigen, keine Ehrfurcht für das Alter; keiner Achtung vor der Tugend waren die Haßerfüllten zugänglich, sondern wie bei der Erstürmung einer Stadt war jedes Alter den Feinden preisgegeben, nicht einmal den Frauen konnte die natürliche Schwäche ihres Geschlechtes die Befreiung von solchen Drangsalen verschaffen, sondern ein Gesetz der Grausamkeit galt für Alle, das mit gleichem Maß der Strafe für das Geschehene gegen Den auftrat, der den Götzendienst aufgab, ohne Rücksicht auf die natürlichen Verhältnisse.
