5.
Er entsagte nun plötzlich der Einsamkeit und brach nach der Stadt auf, in welche er die Kirche Gottes verpflanzen sollte. Als er wahrnahm, daß der ganze Ort vom Betruge der bösen Geister beherrscht werde und dem wahren Gott nirgends ein Tempel erbaut, dagegen die ganze Stadt und die Umgebung von Altären, Kapellen und Bildsäulen angefüllt sei, weil das ganze Volk darauf dachte, daß die Kapellen und heiligen Stätten der Götzenbilder geschmückt daständen, und der Wahnsinn des Götzendienstes den Menschen erhalten bliebe, der durch Festlichkeiten, religiöse Gebräuche und die Entweihungen an den Altären sich behauptet, so begann, gleichwie ein wackerer Soldat mit dem Führer der feindlichen Schaar sich in den Kampf einläßt und mit ihm die Untergebenen in die Flucht schlägt, auch dieser Große seine Heldenthaten mit den Dämonen selbst. In welcher Weise aber? Als er sich nämlich aus der Einsamkeit in die Stadt begab, überfiel ihn bei einbrechender Nacht ein heftiger Regen, und er begab sich mit seinem Gefolge in einen Tempel. Dieser Tempel aber war dadurch berühmt, daß die dort verehrten Dämonen mit den S. 521 Tempeldienern in Verkehr standen, indem von ihnen weissagende Orakelsprüche verkündet wurden. Als er nun mit seinen Begleitern in den Tempel getreten war, verscheuchte er sogleich durch die Anrufung des Namens Christi die Dämonen, und nachdem er durch das Zeichen des Kreuzes die von Fettdampf befleckte Luft gereinigt hatte, brachte er nach seiner Gewohnheit die ganze Nacht unter Gebeten und Lobgesängen wachend zu, so daß das Gebäude, welches durch den Schmutz der Altäre und die Götzenbilder einen eckelhaften Anblick gewährte, in ein Haus des Gebetes umgewandelt wurde. Als er in dieser Weise die Nacht zugebracht hatte, setzte er mit Tagesanbruch seine Reise wieder fort. Als aber der Tempeldiener am Morgen den Dämonen seinen gewöhnlichen Dienst darbrachte, sollen ihm die Dämonen erschienen sein und gesagt haben, der Tempel sei ihnen unzugänglich wegen Desjenigen, der in ihm verweilt habe. Er aber soll durch einige Reinigungen und Opfer versucht haben, die Dämonen wieder in den Tempel einzuführen. Als er aber nach Anwendung aller Mittel Nichts zu Stande brachte, da die Dämonen seiner Aufforderung keineswegs in gewohnter Weise gehorchten, da erhob sich der Tempeldiener voll Wuth und Zorn und holte diesen großen Mann ein und überhäufte ihn mit den schrecklichsten Drohungen, ihn bei der Obrigkeit anzuklagen, Hand an ihn zu legen und seine Vermessenheit beim Kaiser anzuzeigen, daß er als Christ und Feind der Götter es gewagt hätte, in den Tempel zu dringen, und daß sein Eintritt die in den Opfern wirksame Kraft verscheucht habe und nicht mehr wie gewöhnlich an der Stätte die weissagende Kraft der Dämonen sich äussere.
Als aber dieser den heftigen und unvernünftigen Zorn des Tempeldieners hohen Sinnes zurückwies und den Beistand des wahren Gottes allen Drohungen entgegensetzte und sagte, daß er so sehr auf die Kraft Desjenigen vertraue, der für ihn kämpfe, daß es in seiner Macht stehe, sie von jedem beliebigen Orte zu vertreiben und in jedem S. 522 beliebigen Ort einzuführen, und als er versprach, den Beweis für seine Worte sogleich liefern zu wollen, so verwunderte sich darüber der Tempeldiener und erstaunte über die Größe der Macht und forderte ihn auf, gerade hierin seine Macht zu zeigen und die Rückkehr der Dämonen in den Tempel zu bewirken. Als aber dieß der große Mann vernommen hatte, riß er ein kleines Stück Papier aus einem Buche und gab es dem Tempeldiener, nachdem er einen Befehl an die Dämonen darauf geschrieben hatte. Es lauteten aber die geschriebenen Worte: „Gregor an den Satan: Tritt ein!“ Der Tempeldiener aber nahm die Schrift und legte sie auf den Altar. Als er hierauf den gewohnten Fettdampf und die Entweihungen darbrachte, sah er wiederum, was er früher sah, bevor die Dämonen aus dem Tempel waren vertrieben worden. Als aber dieß geschehen war, kam er zur Einsicht, daß in Gregor eine göttliche Kraft wohne, durch die er den Dämonen sich überlegen zeigte. Und als er ihn wieder schnell eingeholt hatte, bevor er noch in der Stadt angelangt war, verlangte er von ihm das Geheimniß zu erfahren, und wer der Gott sei, dem die Natur der Dämonen unterworfen wäre. Als ihm aber der große Mann in wenigen Worten das Geheimniß der frommen Lehre mittheilte, so machte das auf den Tempeldiener einen Eindruck, wie es sich erwarten ließ von einem Manne, der in die göttlichen Dinge nicht eingeweiht war, und er hielt es der Würde Gottes nicht für angemessen, zu glauben, daß die Gottheit den Menschen im Fleische erschienen sei. Als Jener aber sagte, daß der Glaube hieran nicht in Worten seine Kraft habe, sondern durch die geschehenen Wunder seine Gewißheit erlange, so verlangte von ihm der Tempeldiener ein Wunder zu sehen, um dann auf diese Weise durch das Geschehene zur Annahme des Glaubens geführt zu werden.
Da soll nun dieser große Mann ein ganz unglaubliches großes Wunder gewirkt haben. Da nämlich der Tempeldiener verlangte, es sollte einer von den großen Steinen, S. 523 die er vor sich sah, ohne Zuthun einer Menschenhand sich bewegen und durch die bloße Kraft des Glaubens auf den Befehl des Gregorius an eine andere Stelle versetzt werden, so trug jener große Mann ohne Aufschub sogleich dem Steine, wie wenn er belebt wäre, auf, an jene Stelle sich zu begeben, welche der Tempeldiener bezeichnet hatte. Als nun das geschehen war, glaubte der Mann sogleich dem Worte, und indem er Alles verließ, Verwandte, Familie, Eheweib, Kinder, Freunde, Priesterthum, Herd, Besitzthum, zog er Allem, was er besaß, den Umgang mit dem großen Manne und die Theilnahme an seinen Mühen und jener göttlichen Wissenschaft und Unterweisung vor.
