12.
Da nun damals der große Mann die Schwäche der menschlichen Natur einsah, und daß die Meisten nicht bis in den Tod für die Gottesfurcht den Kampf zu bestehen vermöchten, gab er der Kirche den Rath, vor der schrecklichen Verfolgung etwas zurückzuweichen, indem er es für besser hielt, daß sie ihr Leben durch die Flucht retteten, als daß sie, zu offenem Kampfe in Schlachtordnung gestellt, vom Glauben abfielen. Und damit die Menschen desto eher sich überzeugen ließen, daß es der Seele keine Gefahr bringe, wenn man seinen Glauben durch die Flucht rette, ging er mit seinem eigenen Beispiel voran, indem er sich vor den Übrigen dem Andrang der Gefahr entzog. Zugleich war aber auch den Machthabern am Meisten daran gelegen, ihn als den Führer zu überwältigen und so den ganzen Kampf für den Glauben zu erdrücken, und deßhalb waren die Feinde bestrebt, sich seiner zu bemächtigen. Er hatte sich in Gesellschaft jenes Tempeldieners, den er Anfangs für den Glauben gewonnen hatte und der bereits zur Gnade eines Diakons gelangt war, auf einem verödeten Hügel S. 547 niedergelassen. Als nun die Verfolger ihm in großer Zahl auf dem Fuße nachsetzten, da ihnen Jemand den Ort zeigte, wo er sich verborgen hielt, besetzten die Einen ringsum den Fuß des Hügels und hielten Wache, damit er in keiner Richtung entfliehen könnte, wenn er es versuchen wollte, die Andern aber gingen auf den Berg und forschten nach allen Seiten, und schon sah sie der große Mann gerade auf sich losstürmen. Da ermahnte er seinen Begleiter, mit festem unerschütterlichem Vertrauen an Gott festzuhalten, die Rettung von ihm zu erwarten, die Hände zum Gebet zu erheben, und wenn auch die Verfolger in der Nähe wären, sich nicht durch die Furcht im Glauben erschüttern zu lassen. Er ging dabei dem Diakon mit seinem eigenen Beispiel voraus. Er blickte gegen den Himmel mit unverwandtem Blicke in aufrechter Stellung und mit ausgespannten Armen. Sie also machten es so. Jene aber stürmten gegen sie heran, durchstöberten den Ort nach allen Richtungen, und nachdem sie jedes ihnen begegnende Gesträuch, jeden vorspringenden Fels, jede von einem Gießbach gebildete Vertiefung mit aller Genauigkeit durchforscht hatten, begaben sie sich wieder an den Fuß des Berges, damit sie aus Furcht vor den Häschern die Flucht ergreifen und Denen, die unten aufgestellt waren, in die Hände fallen sollten. Als er nun weder bei Letzteren sich befand, noch bei Ersteren war, der aber, welcher den Aufenthaltsort des großen Mannes ausfindig gemacht hatte, eine Stelle bezeichnete, wo die Suchenden nur zwei Bäume in geringer Entfernung von einander gesehen haben wollten, blieb der Angeber, während diese sich entfernten, zurück, überraschte den großen Mann selbst, sowie seinen Begleiter im Gebete, und da er den göttlichen Schutz erkannte, durch den sie vor den Verfolgern für Bäume gehalten worden waren, fiel er ihm zu Füßen und nahm den Glauben an das Wort an. Und der noch soeben ein Verfolger war, stellte sich in die Reihe der Verfolgten.
Während sie nun lange Zeit in der Wüste blieben, ― S. 548 denn es tobte der Kampf gegen den Glauben, da der Statthalter gegen die Anhänger der frommen Lehre heftig wüthet und Alles die Flucht ergriffen hatte, ― so kehrten sie, da sie in Betreff des großen Mannes die Hoffnung aufgaben, daß jemals die Verfolger seiner habhaft würden, gegen die Übrigen ihre rasende Wuth und suchten Alle ohne Unterschied auf; Männer, Frauen, Kinder, die Christi Namen verehrten, schleppten sie in die Stadt und füllten die Gefängnisse, indem sie in Ermanglung irgend eines andern Unrechtes ihnen ihre Frömmigkeit zum Verbrechen machten, so daß die Gerichte damals sonst für keine öffentliche Angelegenheit Muße fanden, sondern die Gewalthaber sich nur angelegen sein ließen, alle möglichen Mißhandlungen und Martern gegen die Anhänger des Glaubens zu ersinnen und anzuwenden. Da nun wird es Allen noch offenkundiger, daß jener große Mann in Nichts ohne Gott zu Rathes ging. Da er sich nämlich durch seine Flucht für das Volk aufbewahrt hatte, gewährte er Allen, die für den Glauben kämpften, gemeinsamen Schutz. Denn wie wir von Moses hören, daß er in einiger Entfernung von dem Heere der Amalekiter durch sein Gebet seinen Stammgenossen Stärke gegen die Feinde verschaffte,1 so flehte auch er, indem er mit dem Auge der Seele auf die Vorgänge sah, den göttlichen Beistand auf Die herab, welche für das Bekenntnis des Glaubens kämpften. Und als er einst mit seiner Umgebung nach seiner Gewohnheit zu Gott betete, wurde er plötzlich von Angst und Aufregung ergriffen, und es nahmen die Anwesenden wahr, daß ihm Etwas auffiel, daß ihn der Anblick beängstigte und daß er aufhorchte, wie wenn irgend ein Laut zu ihm dränge. Und nach längerer Zeit, nachdem er diesen ganzen Zeitraum hindurch in aufrechter Stellung und bewegungslos verharrt hatte, kehrte er, wie wenn das ihm vorschwebende Gesicht einen guten Ausgang genommen hätte, dann wieder in den gewöhnlichen Zustand zurück und pries Gott mit lauter S. 549 Stimme, den Lob- und Dankgesang anstimmend, den wir oft aus dem Munde Davids in den Psalmen vernehmen: „Gepriesen sei Gott, der uns nicht ihren Zähnen zur Beute ausgeliefert.“2
Da aber seine Umgebung voll Verwunderung war und zu wissen verlangte, was für ein Gesicht ihm denn erschienen sei, soll er gesagt haben, er habe in jener Stunde eine große Niederlage gesehen, indem der Teufel von einem Jüngling in den Kämpfen für die Frömmigkeit überwunden worden sei. Da sie aber seine Worte noch nicht begriffen, erklärte er ihnen deutlicher, daß in jener Stunde unter höherem Beistande ein Jüngling aus adeligem Stande, von den Henkern vor den Statthalter geführt, einen heissen Kampf für den Glauben kämpfte, ― er fügte auch den Namen hinzu, indem er ihn Troadius nannte, ― und daß er nach vielen Martern, die er muthig ertrug, die Marterkrone sich aufsetzte. Da nun der Diakon dieß mit Verwunderung anhörte und einerseits nicht wagte, dem Gesagten den Glauben zu verweigern, anderseits dafür hielt, daß es die Kraft der menschlichen Natur übersteige, wenn einer ferne von der Stadt, ohne daß ein Mensch ihm Mittheilung machte, wie wenn er bei den Ereignissen gegenwärtig wäre, über die dortigen Vorgänge zu seiner Umgebung spräche, so bat er den Lehrer flehend, er möchte ihn, was geschehen sei, mit eigenen Augen schauen lassen und ihn nicht abhalten, sich in die Gegend selbst zu begeben, wo die große That geschehen sei. Als aber dieser sagte, daß es gefährlich sei, mitten unter den Mördern zu erscheinen, und man oft durch den Angriff des Feindes etwas Unliebes zu erdulden habe, erklärte der Diakon, er vertraue auf den Beistand seines Gebetes, indem er die Worte zu ihm sprach: Empfiehl mich Gott, und es wird mich keine Furcht vor den Feinden anwandeln.
