S. 76Zeugnis der heiligen Maria, der Tochter des Pûsai, einer Bundestochter.
Der herrliche Pûsai hatte eine Tochter namens Marta, die Bundestochter war. Auch sie wurde angeklagt, am großen Sonntag des Festes der Auferstehung ergriffen und vor den Großmôpêt gebracht. Dieser ging zum König und berichtete ihm. Der König befahl ihm, hinzugehen und sie zu befragen: wenn sie ihre Religion aufgibt und das Christentum verleugnet, ist es gut; wenn sie es nicht tut, soll sie einem Manne gehören und heiraten[^120]; wenn sie keines von beiden tut, werde sie der Hinrichtung überantwortet. Der Großmôpêt ging und befragte die herrliche Marta: „Was bist du?" Die herrliche Marta sprach spottend: „Ein Weib bin ich, wie du siehst." Die Leute, die vor dem Großmôpêt zugegen waren, neigten ihr Haupt vor Scham, als sie seine Frage [S. 77](https://bkv.unifr.ch/works/188/versions/207/scans/b0077.jpg) und die Antwort der weisen Marta hörten, und das Gesicht des Môpêt wurde grün vor Zorn und Scham. Aber er beherrschte seinen Grimm und sprach: „Auf meine Frage gib Antwort." Die weise Marta sprach: „Ich habe ja auf deine Frage geantwortet." Der Môpêt sprach: „Was habe ich dich gefragt und was hast du mir geantwortet?" Marta sprach: „Deine Gewalt hat gefragt: was bist du? und ich habe geantwortet: ein Weib bin ich, wie du siehst." Der Môpêt sprach: „Ich habe dich gefragt: welche Religion hast du?" Die herrliche Marta sprach: „Ich bin Christin; auch mein Kleid (σχῆμα) bezeugt es." Der Môpêt sprach: „Sag mir die Wahrheit. Bist du die Tochter jenes Pûsai, der den Verstand verlor, sich gegen den König erhob und eines bösen Todes starb?" Die Selige sprach: „Dem Fleische nach bin ich seine Tochter. Dem Glauben nach bin ich die Tochter jenes in seinem Gott weisen und die Wahrheit dessen kostenden Pûsai, der nicht König der Könige, sondern König der Wahrheit ist, jenes Pûsai, der gestern durch den Tod für seinen Gott unendliches Leben gewann. Und jetzt, wer wird mich würdig machen, die Tochter des seligen Pûsai zu werden, der jetzt mit den Heiligen in ewigem Licht und Frieden ist? Ich aber bin mit den Sündern in der Welt der Trübsal." Der Môpêt sprach: „Höre mich, ich will dir zum Nutzen raten. Der König der Könige ist barmherzig und gefällt sich nicht am Tod der Menschen. Sondern, da er gut ist, will er, daß alle seine Freunde seinen Glauben teilen und von ihm geehrt werden. Auch deinen Vater ehrte und förderte er, weil er ihn liebte. Dein Vater aber war töricht und redete, was ihm nicht zustand. Hernach redete ihm der König der Könige zu, er möge nicht bei seiner Gesinnung beharren. Aber er gehorchte nicht und starb deshalb eines bösen Todes. Und jetzt beharre nicht du bei deiner Hartnäckigkeit wie dein Vater, sondern erfülle den Willen Schâpûrs, des Königs der Könige und Herrn aller Weltgegenden; bete die Sonne an; verleugne die Religion der Christen und du wirst in Ehren sein und all dein Verlangen nach Vergnügen wird dir vom König erfüllt werden." Die herrliche Marta antwortete: „Es lebe [S. 78](https://bkv.unifr.ch/works/188/versions/207/scans/b0078.jpg) König Schâpûr; seine Gnade weiche nicht von ihm; seine Barmherzigkeit bleibe bei ihm; seine Gnade werde seinen Söhnen bewahrt und seine Barmherzigkeit ihm und seinem Geschlechte, das ihrer würdig ist, und das Leben, das er liebt, werde ihm, all seinen Brüdern und Freunden zuteil. Aber der böse Tod, den, wie du sagst, mein Vater starb, werde allen, die meinem Vater gleichen. Was nützt mir, der armen Magd, dem Abschaum der Mägde Gottes und des Königs, vergängliche Ehre? Ich bin entschlossen, wie mein Vater für den Gott meines Vaters Schmach zu erleiden und wie er für meinen Glauben an ihn zu sterben." Der Môpêt sprach: „Ich kenne eure Herzenshärte, todeswürdiges Volk, und besonders (weiß ich), daß von einem Rebellen kein gehorsamer Samen kommt. Bloß um vor den Göttern nicht schuldig zu sein, als hätte ich mich nicht bemüht, zu mahnen, plage ich mich mit dir aus ganzer Seele, um dich zur Religion der guten Götter, der Fürsorger der bewohnten Erde, zu bekehren." Die heilige Marta sprach: „Du hast das Deinige gesagt; ich das Meinige. Wärest du nicht blind, so daß du die von mir gesprochene Wahrheit um eitlen Ruhmes der vergänglichen Welt willen nicht prüfst, so würdest du jetzt hören und sehen, welche Unterweisung nützt und welche schadet, welche zum Himmelreich und welche zur Feuerhölle führt, welche Leben gibt und welche Tod gestaltet."
[^120]: Über die Abneigung der Perser gegen den Zölibat vgl. Mârê über Patr. Papa (S. 8 der Übers.): „Es regierte damals Bahrâm (III?). Da der König sah, daß die Patriarchen und Bischöfe sich der Ehe enthielten entsprechend der Schule der Manichäer, befahl er die Hinrichtung der Manichäer und der Befehl traf auch die Christen und den Mar Pâpâ traf viel Übles. Die Christen nahmen zum König Zuflucht und dieser wollte den Unterschied kennen lernen. Pâpâ antwortete: Die Manichäer glauben an zwei (feindliche göttliche) Personen (aknûm), ferner daß die Erde Leben habe, daß die Seelen von einem Leib in einen andern wandern und daß die Ehe abscheulich sei. Die Christen erkennen einen Gott, billigen die Ehe und sie ist nur ihren Häuptern verboten, damit sie im Gebete ausdauern und damit nicht (anderes) sie beschäftige. Dem König gefiel die Antwort und er ließ von ihnen ab." Die gleiche Erzählung weitläufiger in der Chronik v. Seerd (P. 0. IV, 3, S. 27 f.). Über die Abschaffung des Z. durch Bar Saumâ und Akak und Wiedereinführung durch Mâr Abâ s. Synhados, S. 61 ff. 95.