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1. Die Apostel also, die den Erdkreis durchwanderten und das Evangelium verkündigten, werden sinnbildlich als Füße des Herrn bezeichnet, und über sie weissagt auch durch den Psalmensänger der Geist: „Laßt uns anbeten an dem Ort, wo seine Füße standen!“1, das heißt, wohin seine Füße, die Apostel, kamen, durch die verkündigt er bis an die Enden der Erde gelangte.
2. Die Tränen aber bedeuten die Buße, und die aufgelösten Haare verkündigten die Lossagung von der Freude an eitlem Schmuck und die mit der Verkündigung verbundene, des Herrn wegen in Geduld ertragene Drangsal,2 da jene alte eitle Ruhmsucht wegen des neuen Glaubens verschwunden ist.
3. Aber es ist auch ein Hinweis auf das Leiden des Herrn, wenn wir es nach geheimnisvoller Weise so auffassen: Das Öl ist der Herr selbst, von dem das Erbarmen auf uns ausgeht; die Salbe aber ein verfälschtes Öl, ist Judas der Verräter; mit ihm wurden die Füße des Herrn gesalbt, als er von seinem Wandel auf dieser Erde Abschied nahm; denn gesalbt werden die Toten; die Tränen aber sind wir, die Sünder, die Buße getan haben, die zum Glauben an ihn gekommen sind, denen er die Sünden vergab; und die aufgelösten Haare sind das trauernde Jerusalem, das verlassene,3 um dessentwillen die Klagelieder der Propheten erklangen.
4. Es wird uns aber der Herr selbst lehren, daß Judas von Falschheit erfüllt ist, indem er sagt: „Wer mit mir in die Schüssel eintunkt, der wird mich verraten.“4 Siehst du den falschen Tischgenossen? Und eben dieser Judas verriet den Meister mit einem Kuß.5
5. Der nämliche ist ein Heuchler geworden, der einen Kuß voll Falschheit gab, womit er einen anderen S. a72 alten Heuchler6 nachahmte und jenes Volk bloßstellte: „Dieses Volk ehrt mich mit seinen Lippen, aber ihr Herz ist fern von mir.“7
