1.
S. 242 Die Ariomaniten haben, wie es scheint, sich nun einmal dafür entschieden, Verräter und Verächter der Wahrheit zu werden, und sie wollen um jeden Preis, daß sie das Schriftwort treffe: „Wenn der Gottlose in die Tiefe der Übel fällt, achtet er es gering“1. Denn sie geben sich weder zufrieden, wenn sie widerlegt werden, noch auch schämen sie sich, wenn sie in der Verlegenheit sind, sondern mit der Stirnme einer Buhlerin haben sie in ihren gottlosen Reden jedem Menschen gegenüber das Schamgefühl abgelegt. Denn obschon die Aussprüche, auf die sie sich beriefen, wie: „Der Herr schuf mich“2, und: „Vorzüglicher geworden als die Engel“3, und: „Der Erstgeborene“4, und: „Der dem treu ist, der ihn gemacht hat“5 einen richtigen Sinn haben und den frommen Glauben an Christus bekunden, so begannen sie nunmehr wieder in unbegreiflicher Weise, gleichsam vom Gift der Schlange übergossen und ohne zu sehen, was sie sehen sollten, und ohne zu verstehen, was sie lesen, als wollten sie aus der Tiefe ihres gottlosen Herzens sich erbrechen, auch das Herrnwort zu zerzausen: „Ich im Vater und der Vater in mir“6. Sie sagen nämlich: Wie kann dieser in jenem und jener in diesem Platz finden? Oder wie kann überhaupt der Vater, der größer ist, im Sohne, der kleiner ist, Platz haben? Oder was ist es besonderes, daß der Sohn im Vater ist, wenn ja auch von uns geschrieben steht: „Denn in ihm leben wir, bewegen wir uns und sind wir“7. Aber diesen Verstoß verdanken sie ihrer verkehrten Anschauung, in der sie Gott für einen Körper halten und nicht S. 243 begreifen, was wahrer Vater und wahrer Sohn, noch auch, was unsichtbares und ewiges Licht und sein unsichtbarer Abglanz, noch was unsichtbares Wesen und unkörperlicher Abriß und unkörperliches Bild ist. Denn hätten sie diese Erkenntnis, dann würden sie nicht den Herrn der Herrlichkeit unter Hohngelächter schmähen, noch vom Unkörperlichen sich eine körperliche Vorstellung machen und richtige Aussprüche falsch auslegen. Sie hätten nun schon auf das bloße Hören dieser Worte hin glauben sollen, da ja der Herr es ist, der redet; denn der Glaube der Einfalt ist besser als eine weitläufige Beweisführung. Da sie aber auch diese Stelle zugunsten ihrer Häresie zu entweihen suchten, so müssen wir ihre verkehrte Ansicht widerlegen und den wahren Sinn aufzeigen, um wenigstens den Gläubigen Sicherheit zu verschaffen. Denn wenn es heißt: „Ich im Vater und der Vater in mir“, so sind sie nicht, wie jene meinen, ineinander eingelassen und füllen wie leere Gefäße sich gegenseitig auf, so daß also der Sohn die Leere des Vaters und der Vater die Leere des Sohnes füllte, und keiner von ihnen voll und vollkommen wäre. So verhält es sich ja bei den Körpern; darum ist es voll Gottlosigkeit, dies auch nur zu sagen. Denn voll und vollkommen ist der Vater, und die Fülle der Gottheit ist der Sohn. Und ferner ist Gott nicht in derselben Weise wie in den Heiligen, die er stärkt, auch im Sohne, der ja selbst die Kraft und Weisheit des Vaters ist. Die entstandenen Wesen werden durch die Teilnahme an ihm im Geiste geheiligt, der Sohn selbst aber ist nicht infolge Teilnahme Sohn, vielmehr ist er eigene Zeugung des Vaters. Auch ist der Sohn wieder nicht im Vater im Sinne der Schriftstelle: „In ihm leben wir, bewegen wir uns und sind wir“. Denn wie aus einem Quell kommt er aus dem Vater als das Leben, in dem alles belebt wird und Bestand hat. Denn es lebt das Leben nicht im Leben, da es dann kein Leben wäre8 , vielmehr gibt er selbst allem das Leben. S. 244
