12.
Ein Mensch ist an Händen und Füßen mit Ketten gefesselt. Da kommt jemand, löst seine Fesseln und läßt ihn frei, daß er leidlich gehen kann. So löst der Herr die mit den Todesketten gefesselte Seele von den Banden, läßt sie los und macht den Geist frei, daß er mühelos, in Ruhe in der göttlichen Atmosphäre wandeln kann. Oder ein Mensch liegt mitten in einem vollen Strome, untergetaucht im Wasser, tot, ersäuft, mitten unter schrecklichem Getier. Will nun ein anderer, des Schwimmens unkundiger Mensch den Hineingefallenen retten, so geht er gleichfalls zugrunde und ertrinkt. Hier ist eben ein erfahrener, kundiger Schwimmer nötig, der in den tiefen Schoß des Wassers steigt, darin untertaucht und den Ertrunkenen, der mitten unter den Ungeheuern liegt, herausholt. Und sieht das Wasser einen kundigen, gewandten Schwimmer, so hilft es diesem sogar und bringt ihn empor auf die Oberfläche. So ward die Seele in den Abgrund der Finsternis und in die Tiefe des Todes versenkt und darin ersäuft, sie ist tot, fern von Gott, mitten unter furchtbarem Ungetier. Wer anders kann nun in jene Gemächer und Tiefen der Unterwelt und des S. 97 Todes hinabsteigen, als eben der Schöpfer, der den Leib geschaffen? Er dringt in Beides ein, in die Tiefe der Unterwelt und ebenso in den tiefen Busen des Herzens, wo die Seele mit ihren Gedanken vom Tode festgehalten wird, und er bringt aus der finsteren Tiefe den erstorbenen Adam hervor. Und so wird selbst der Tod dadurch, daß er übend wirkt, dem Menschen geradeso ein Helfer wie das Wasser dem Schwimmer.
