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S. 266 Die Herrlichkeit der Christen verbleibt jetzt schon in ihren Seelen; sie wird aber zur Zeit der Auferstehung sichtbar werden und nach Maßgabe ihrer Frömmigkeit die Leiber verherrlichen.
Die Sprachen dieser Welt sind verschieden. Denn jedes Volk hat seine eigene Sprache. Die Christen aber lernen jetzt schon eine Sprache. Alle werden unterwiesen in einer Weisheit, [in der Weisheit] Gottes, nicht in der Weisheit dieser Welt und der vergänglichen Zeit1. Und wiewohl die Christen in dieser [sichtbaren] Schöpfung wandeln, so kommen sie doch zu ganz neuen, himmlischen Anschauungen, Herrlichkeiten und Geheimnissen. Den Anlaß hierzu erhalten sie von den sichtbaren Dingen. Unter den zahmen Tieren gibt es Gattungen, z. B. [die Gattung] Pferd, Ochs. Ein jedes davon hat einen besonderen Leib und eine besondere Stimme. Das nämliche ist auch bei den wilden Tieren der Fall. Der Löwe hat einen eigenen Leib und eine eigene Stimme, ebenso der Hirsch. Auch bei den Kriechtieren herrscht große Verschiedenheit und die Vögel haben vielerlei Leiber. Anders ist der Leib und die Stimme des Adlers, anders der Leib und die Stimme des Schnellflüglers. Dasselbe gilt auch von den Seetieren. Da gibt es viele Körper, die einander nicht ähnlich sehen. In der Erde sind viele Samen. Aber jeder Same hat eine besondere Frucht. Ferner gibt es viele Bäume. Allein es gibt größere Bäume und es gibt kleinere Bäume. Ja, selbst unter den Früchten herrscht ein großer Unterschied. Denn eine jede von ihnen hat ihren besonderen Geschmack. Auch unter den Kräutern obwaltet große Verschiedenheit. Die einen sind heilkräftig, die andern nur wohlriechend. Ein jeder Baum treibt von innen S. 267 heraus sein sichtbares Gewand: Blätter, Blüten und Früchte. Ebenso sprossen auch die Samen von innen heraus ein sichtbares Gewand. Auch die Lilien treiben aus ihrem Innern heraus ein Kleid und schmücken die Erde.
[Forts. v. S. 267 ] So tragen auch alle Christen, die gewürdigt wurden, hienieden das himmlische Gewand zu erhalten, dasselbe bleibend in ihren Seelen. Und da nach Gottes Vorherbestimmung diese Schöpfung sich auflöst und der Himmel und die Erde vergehen, so wird das jetzt schon die Seele umhüllende und verherrlichende Gewand, das sie in ihrem Herzen besitzen, offenbar auch die nackten Leiber, die aus den Gräbern auferstehen, die Leiber, die an jenem Tage auferweckt werden, mit Herrlichkeit bekleiden. Dieses Geschenk, dieses unsichtbare, himmlische Gewand empfangen die Christen schon jetzt. Die Schafe oder die Kamele laufen, sobald sie Gras finden, schnell und gierig zu ihrem Futter und nehmen Nahrung zu sich. Zur Zeit des Hungers aber würgen sie eben jenes [Futter] wieder aus dem Vormagen herauf und wiederkäuen es. Es dient ihnen nun als Nahrung, was sie zuvor gesammelt haben. So dient auch all denen, die jetzt schon „das Himmelreich mit Gewalt an sich gerissen“2 und durch „ein Leben im Geiste“3 die himmlische Nahrung verkostet haben, gerade letztere zur Zeit der Auferstehung zur Schirmung und Erquickung aller ihrer Glieder4.
Vgl. 1 Kor. 2, 6 f.### 2. ↩
Vgl. Matth. 11, 12. ↩
Vgl. Gal. 5, 25; 1 Petr. 4, 6. ↩
Stiglmayr (Sachl. u. Sprachl. b. Mak. S. 72) verweist hier auf eine merkwürdige Stelle bei Cyrill v. Jerusalem (cat. 15, 25 Migne, P. G. XXXIII 905 C): „Am Äußern des auferstandenen Leibes wird man den innern Zustand der Seele erkennen. Ihre guten oder bösen Werke werden sie umgeben, gleichwie man aus der Wolle des Schafes auf seine Natur schließen kann . . . Wenn Du von den Sünden gereinigt bist, so wirst Du in Zukunft Deine (guten) Werke wie reine Wolle an Dir haben. Aus dem überlegten Gewande wirst Du als Schaf erkannt werden. Wenn Du aber rauh von Haaren erfunden wirst wie Esau . . . dann wirst Du unter die auf der linken Seite gestellt werden.“ Siehe auch h. 5, 8. 9; 12, 14; 15, 38; 34, 2. ↩
