3.
S. 127 Es gibt aber unzählig verschiedene Arten auch in der Vogelwelt. Wollte man darauf ebenso eingehen, wie wir es teilweise bei der Schilderung der Fische versucht haben, so würde man unter der einen Bezeichnung „Geflügel” unzählige Unterschiede an Größe, Gestalt und Farbe finden. Auch in ihrer Lebensweise, in ihrem Treiben, in ihren Gewohnheiten würde man eine unglaubliche Mannigfaltigkeit entdecken. Schon haben es ja einige auch mit neuen Benennungen versucht, um durch solche spezifische, besondere Bezeichnung wie mit Brandmalen die Eigentümlichkeit jeder Art kenntlich zu machen. So nannten sie einige Vögel Spaltflügler, wie die Adler, andere Hautflügler, wie die Fledermäuse, andere Dünnflügler, wie die Wespen, wieder andere Scheideflügler, wie die Käfer und alle, die gleichsam in Scheiden und Schalen geboren werden und erst nach Zerreißung der Hülle zum Fluge frei werden1. Allein uns genügt zur Unterscheidung der besonderen Arten der allgemeine Sprachgebrauch und die in der Schrift übliche Einteilung in reine und unreine Tiere. Eine andere Art ist die der Fleischfresser, die auch einen andern, ihrer Lebensweise entsprechenden Körperbau haben: Sie haben scharfe Krallen, einen krummen Schnabel, einen raschen Flug, um die Beute schnell erhaschen, zerreißen und verzehren zu können2. Einen anderen Bau haben die Samenfresser, und wieder einen anderen die Vögel, die sich von allem nähren, was sie finden. Auch unter letzteren gibt es wieder eine Menge Unterschiede. Einige von ihnen - die Raubvögel ausgenommen, die nur zur Paarung zusammenkommen - scharen sich zusammen, wie die Tauben, die Kraniche, Staren und Dohlen3. Unter diesen sind die einen wieder ohne eine Herrschaft, gewissermaßen autonom; die andern aber lassen sich eine Führung gefallen, wie die Kraniche. Auch waltet bei ihnen noch ein anderer Unterschied ob, S. 128 demzufolge die einen an ihrem Aufenthaltsort und im Lande verbleiben, die andern Zugvögel sind und beim Nahen des Winters regelmäßig auswandern4. Sehr viele Vögel lassen sich aufziehen, werden heimisch und zahm, ausgenommen die schwachen, welche wegen übergroßer Scheu und Furchtsamkeit die stete Beunruhigung durch die Hand nicht ertragen. Einige Vögel sind gern mit den Menschen zusammen, wohnen mit uns unter demselben Dach; andere sind Gebirgsvögel und lieben die Einöde. Am meisten unterscheiden sich die Vögel in der Stimme. Die einen sind geschwätzig und plauderhaft, andere aber schweigsam5. Die einen sind melodische Sänger, die andern sind ganz unmusikalisch und gesangsunkundig. Die einen ahmen gerne nach - entweder aus natürlicher Veranlagung oder auf Grund von Dressur, die andern geben immer denselben gleichförmigen, unveränderten Laut von sich. Der Hahn ist stolz, der Pfau eitel, die Tauben und Haushühner geil, das sie jeden Augenblick die Paarung vornehmen. Das Rebhuhn ist listig und neidig und boshaft den Jägern beim Erjagen der Beute behilflich6.
genannte Bezeichnungen bei Aristoteles, hist. anim. I,5 ↩
vgl. Arist., hist. anim. VIII,3 ↩
daher das griechische Sprichwort: κολοιὸς ποτὶ κολοιόν (= dem deutschen Sprichwort: „Gleich und gleich gesellt sich gern”), Arist., Eth. Nic. I, VIII,6 ↩
Arist., hist. an. VIII,12 ↩
Arist. 1. c. I, 1 ↩
Arist. 1. c. IX,10 ↩
