7.
„Die Wasser bringen hervor kriechende Tiere mit lebendiger Seele und geflügelte Tiere, die über der Erde S. 134 am Firmamente des Himmels dahinfliegen.” „Über der Erde” zu fliegen ward ihnen geboten, weil sie alle von der Erde ihr Futter bekommen, am „Firmamente des Himmels” aber, weil, wie schon oben dargelegt, hier die Luft οὐϱανός (= Himmel) genannt wird - vom Worte ὁϱσϑαι (= gesehen werden). „Firmament” aber heißt es, weil die Luft zu unsern Häupten im Vergleiche mit dem ätherischen Körper etwas dichter und mit den von unten aufsteigenden Dünsten gesättigt ist. Du hast also einen Himmel mit seinem Schmucke, eine Erde mit ihrer Schönheit, ein Meer mit seiner reichen Fauna, eine Luft voll Vögel, die sie durchfliegen. Das alles ist auf Gottes Befehl aus dem Nichts ins Dasein gerufen worden. Was alles aber unsere Rede übergangen hat, um nicht zu weit und zu breit zu werden, das erwäg als eifriger Christ bei dir selbst, lern' in allem die Weisheit Gottes kennen, und hör' nie auf, sie zu bewundern und den Schöpfer in jeglicher Kreatur zu verherrlichen!
Du hast in der Dunkelheit die Arten der Nachtvögel, beim Lichte die Tagesvögel. Die Fledermäuse, Nachteulen und Nachtraben gehen bei Nacht auf Nahrung aus. Kannst du also einmal nicht zeitig einschlafen, so darfst du nur bei diesen verweilen und ihre Eigentümlichkeiten betrachten, und du hast Grund genug zum Lobpreis auf Gott: (Erwäg) wie die Nachtigall nicht schläft, wenn sie auf den Eiern sitzt und die ganze Nacht hindurch ihr Singen nicht einstellt1 wie die Fledermaus zugleich ein vierfüßiges und fliegendes Tier ist, wie sie allein unter den Vögeln Zähne hat und wie die vierfüßigen Tiere Junge wirft; wie sie in der Luft schwärmt, aber nicht mit Fittichen, sondern mittels eines ledernen Häutchens sich aufschwingt; wie auch diese Art von Natur in gegenseitiger Liebe zueinander steht, wie nämlich die Fledermäuse sich gleich einer Kette aneinanderschließen und aneinanderhängen, was bei uns Menschen nicht leicht der Fall ist; denn den meisten stehen ihre Sonder- und Privatinteressen höher als Gemeinwohl und Einigkeit. Wie gleichen doch den S. 135 Augen der Eule die, welche mit der eitlen Weisheit sich beschäftigen! Auch ihr Gesicht ist bei Nacht scharf, wird aber stumpf, sobald die Sonne aufleuchtet. So ist auch der Verstand solcher Leute in eitler Wissenschaft sehr scharf, aber für die Erkenntnis des wahren Lichtes abgestumpft.
Auch am Tage hast du immer und überall reichlich Anlaß zur Bewunderung des Schöpfers. Wie weckt dich der Haushahn zur Arbeit, der mit lautem Geschrei kräht und das Nahen der noch weitabstehenden Sonne ankündigt, mit dem Wanderer aufwacht und den Landmann zur Ernte hinaustreibt! Wie wachsam ist das Geschlecht der Gänse und wie scharf deren Sinn für die schleichende Gefahr! Haben sie doch einst die Kaiserstadt gerettet, als sie die Feinde, die durch unterirdische, verborgene Gänge der Burg Roms nahten und sie schon nehmen wollten, verrieten. Bei welcher Vogelart zeigt nicht die Natur ein besonderes Wunder? Wer kündigt den Geiern den Tod der Menschen an, wenn diese widereinander zu Felde ziehen? Du siehst ja unzählige Scharen Geier den Heeren folgen, die aus der Waffenrüstung auf den Ausgang schließen2. Das kommt aber menschlichem Schließen recht nahe. Oder soll ich dir von den furchtbaren Heereszügen der Heuschrecken erzählen? Wie auf ein Zeichen hin erhebt sich ein solcher Schwärm und lagert auf weitem Felde, rührt aber die Früchte nicht eher an, als bis ihm der göttliche Befehl dazu erteilt wird. Wie kommt es, daß der Seleukis3 den Heuschrecken folgt - als Befreier von der Plage, dem eine unersättliche Freßlust eigen ist, mit der der gütige Gott seine Natur der Menschen wegen bedacht hat4. Wie eigenartig ist doch das Zirpen der Zikade5? Warum ist es am Mittage lauter, da sie doch durch das Einziehen der Luft in die Panzerhöhlung den Laut hervorbringt?
S. 136 Doch mir scheint, ich vermag noch weniger mit Worten die Wunder in der Vogelwelt zu schildern als mit meinen Füßen ihre Schnelligkeit zu erreichen. Wenn du von den Geflügelten die sogenannten Insekten - so heißen sie von den Einschnitten, die sie überall zeigen -, wie die Bienen und Wespen siehst, so beherzige, daß sie keinen Atem haben noch eine Lunge, sondern am ganzen Körper mit Luft genährt werden6. Werden sie also mit Öl benetzt, und werden so die Poren verstopft, dann kommen sie um7. Begießt man sie aber dann sofort mit Essig, dann öffnen sich die Poren, und sie leben wieder auf. Nichts Überflüssiges hat unser Gott erschaffen, aber auch nichts vergessen, was notwendig ist. Betrachtest du sodann die Wasservögel, so wirst du bei ihnen einen anderen Körperbau finden, nämlich weder gespaltene Füße wie bei den Krähen, noch Krallen wie bei den Fleischfressern, sondern breite, häutige Füße, damit sie leicht auf dem Wasser schwimmen, indem sie mit den Fußhäuten wie mit Rudern das Wasser von sich stoßen. Wenn du aber beobachtest, wie der Schwan seinen Hals in die Tiefe taucht und sich vom Grunde das Futter heraufholt, so wird dir die Weisheit des Schöpfers klar werden, der ihm deshalb einen Hals gegeben hat, der länger ist als die Füße, damit er ihn wie eine Angel hinabtauche und die in der Tiefe verborgene Nahrung heraufhole8.
vgl. Arist., hist. anim. VIII,75; Plinius 1. c. X,43 ↩
d.h. auf das Massensterben und damit auf die Menge Aas. Vgl. Hierzu Aelian, de nat. anim. II,46 ↩
eine Art Häher ↩
vgl. Oppianus, de aucupio I,19; Plinius 1. c. XI,103; X,75 ↩
Aelian, 1. c. I,20 ↩
Plinius, 1. c. XI,2 ↩
vgl. Aelian, 1. c. IV,18 ↩
Arist., de part. anim. IV,11 ↩
