4.
Wie gesagt, unzählbar die Unterschiede in Betätigung und Lebensweise! Es gibt bei einigen Tieren auch eine Art Staatswesen, sofern dessen Eigentümlichkeit darin besteht, daß alle seine Glieder mit ihrer Tätigkeit einen gemeinsamen Zweck verfolgen, wie man das bei den Bienen beobachten kann1. Gemeinsam ist ihre Wohnung, gemeinschaftlich der Flug, eine aller Betätigung; und, was das Größte ist, unter einem König2 und Anführer fassen sie die Arbeit an und wagen sich nicht eher auf die Wiese hinaus, als bis sie den König an der Spitze des Schwarmes sehen. Ihr König ist kein Wahlkönig - oft schon hat ja mangelnde Urteilskraft des Volkes den Schlechtesten auf den Thron erhoben -; S. 129 auch dankt er seine Macht nicht dem Lose - die blinde Zufallslosung überträgt oft dem Allerletzten die Macht -; auch keine Abstammung bringt ihn auf den Thron - auch diese werden ja sehr oft durch Schweißerei und Schmeichelei verzogen und sind jeder Tugend bar -; sondern von Natur hat er die Herrschaft über alle, weil er durch Größe, Gestalt und Charaktermilde sich auszeichnet. Der König hat wohl einen Stachel, gebraucht ihn aber nicht zur Rache3. Eines von den ungeschriebenen Gesetzen der Natur ist eben auch dies, daß die Träger der obersten Gewalt bei Bestrafungen langsam vorgehen sollen. Aber die Bienen, die dem Beispiele des Königs nicht folgen, haben ihre Unbesonnenheit bald zu bereuen, insofern sie mit dem Stiche sterben. Hört es, ihr Christen, denen geboten ist, keinem Böses mit Bösem zu vergelten, sondern im Guten das Böse zu besiegen4. Ahme das Verhalten der Biene nach, die niemand schadet und keine fremde Frucht zerstört, wenn sie ihre Waben baut5. Wie man sieht, sammelt sie von den Blumen das Wachs, den Honig aber, d. h. die tauartig in die Blumen gelegte Feuchtigkeit, saugt sie mit dem Rüssel ein und trägt ihn in die hohlen Waben. Daher ist er anfangs auch flüssig, wird aber mit der Zeit gekocht, besteht und wird süß. Die Biene hat in den Sprüchen ein schönes und zutreffendes Lob bekommen, indem sie weise und arbeitsam genannt wird: Sie sammelt so fleißig ihre Nahrung - „ihrer Arbeit Frucht”, heißt es, „beschaffen sich Könige und einfache Leute zur Gesundung6” -, so weise und kunstgerecht baut sie die Aufbewahrungskammern für den Honig, zu einem dünnen Häutchen spannt sie das Wachs aus und baut darauf dicht nebeneinander die Zellen; und die dichte Aneinanderreihung der sonst so zarten Zellen gibt dem Ganzen Halt und Festigkeit. Eine Zelle hängt an der andern, durch eine dünne Wand voneinander geschieden und doch wieder verbunden. Sodann sind S. 130 diese Röhren in zwei bis drei Stockwerken übereinander gebaut. Denn die Biene hütet sich, nur einen fortlaufenden Zellenbau zu machen, damit nicht die Flüssigkeit infolge der Schwere nach außen abfließt. Und sieh, wie die Erfindungen der Geometrie eine Zugabe der so weisen Biene sind: Alle Röhren der Waben sind sechseckig und gleichseitig7; auch liegen sie nicht direkt übereinander, damit nicht der gemeinsame Boden der leeren und vollen Zellen Schaden leide8; vielmehr sind die Winkel des unteren Sechseckes Stütze und Fundament für das darüberliegende und tragen so sicher die Last darüber, und der Honig bleibt in den einzelnen Waben gesondert.
Arist. 1. c. I,1 ↩
Basilius redet von einem Bienenkönig (wie auch Ambrosius, Hexaemeron V,21,68; cfr. Vergil, Georg. IV,201) ↩
vgl. Arist. hist. anim. V,21, und Plinius, hist. nat. XI,17 ↩
vgl. röm 12,17.21 ↩
vgl. Arist., hist. anim. V,22 ↩
1 Spr 6,6.8 nach LXX ↩
vgl. Aelian, 1. c. V,18 ↩
der Druck der vollen Zelle auf den mit der leeren gemeinsamen Boden würde letzteren durchstoßen ↩
