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Die Schriftworte, nur so gelesen, sind ein paar kurze Silben. „Es bringen die Wasser hervor geflügelte Tiere, die über der Erde am Firmamente des Himmels dahinfliegen.” Erforscht man aber den Sinn dieser Worte, dann wird das große Wunder der Weisheit des Schöpfers offenbar. Wie vielerlei Geflügel hat er doch vorgesehen! Wie hat er sie doch nach Art und Gattung geschieden, und wie jede Art durch Eigentümlichkeiten charakterisiert! Der ganze Tag reichte nicht aus, euch die Wunder der Luft zu schildern. Es ladet uns das S. 137 Festland ein, die wilden, kriechenden und zahmen Tiere vorzuführen; es hat den Pflanzen, Wassertieren und der ganzen Vogelwelt Gleichwertiges gegenüberzustellen.
„Die Erde bringe hervor lebende Wesen, zahme, wilde und Kriechtiere nach ihrer Art.” Was sagt ihr dazu, die ihr des Paulus Lehre über die Verwandlung bei der Auferstehung nicht glaubt, wenn ihr doch viele Tiere in der Luft ihre Gestalt verändern seht? So erzählt man vom gehörnten indischen Wurm1, er verwandle sich zuerst in eine Raupe, werde dann mit der Zeit eine Puppe, bleibe aber auch in dieser Gestalt nicht, sondern werde mit dünnen breiten Blättern beflügelt. Wenn nun ihr Frauen dasitzt und dessen Gespinst abhaspelt, die Kokons nämlich, die euch die Serer2 zur Anfertigung weicher Kleider senden, so denkt an die Verwandlung dieses Tierchens, verbindet damit lebhaft den Gedanken an die Auferstehung, und zweifelt nicht an der Verwandlung, die Paulus allen verkündet.
Allein ich merke, daß meine Rede das Maß verliert. Wenn ich auf die Menge des Gesagten schaue, so habe ich sichtlich das Maß überschritten; sehe ich aber auf den Reichtum der Weisheit in ihren Schöpfungen, dann glaube ich kaum mit der Schilderung begonnen zu haben. Doch ist es nicht unnütz, euch länger hinzuhalten. Was kann denn einer auch bis zum Abend tun? Es drängen euch keine Gäste; es erwarten euch keine Trinkgelage. So wollen wir denn, wenn es euch gefällt, leiblich fasten zur Wohlfahrt der Seele. Oft genug hast du der Lust des Fleisches gedient; heute oblieg dem Dienste der Seele! „Habe deine Lust an dem Herrn, so wird er dir geben, was dein Herz verlangt3.” Liebst du Reichtum; hier hast du geistigen Reichtum. „Die Gerichte des Herrn sind wahrhaftig, gerechtfertigt in sich selbst, wünschenswerter als Gold und viel Edelgestein4.” Liebst du Genuß und Vergnügen, so hast du die Worte Gottes, die dem geistig Veranlagten „süßer sind als Honig und S. 138 Honigseim5”. Entlasse ich euch und löse die Versammlung auf, so laufen einige zum Würfelspiele. Dort gibt es Flüche, heilige Streitereien und leidenschaftliche Geldgier. Der Teufel steht dabei, stachelt mit punktierten Knochen zur Wut, verteilt den (Geld-)Einsatz bald auf diese, bald auf die andere Seite und macht so bald diesen stolz auf einen Sieg und versenkt den andern in Traurigkeit, bald macht er letzteren übermütig und beschämt ersteren. Was nützt das leibliche Fasten, wenn die Seele mit tausend Bosheiten angefüllt ist? Wer aber nicht würfelt, sondern anderweitig müßig geht, was redet der nicht unnütz' Zeug; was Törichtes hört der nicht an? Denn Muße ohne Gottesfurcht ist für Unbeschäftigte Lehrerin der Schlechtigkeit. Vielleicht werdet ihr doch aus Gesagtem einigen Gewinn schöpfen, wenn nicht, dann läßt euch die Aufmerksamkeit hier wenigstens keine Zeit übrig, zu sündigen. Euch länger hinhalten, heißt euch länger dem Bösen fernhalten.
Einem wohlmeinenden Beurteiler mag das Gesagte genügen, wenn er nicht auf den Reichtum der Schöpfung, sondern auf unser schwaches Können sieht und darauf, daß es die Erschienenen erheben und befriedigen kann. Die Erde hat euch erfreut mit ihren Gewächsen, das Meer mit seinen Fischen, die Luft mit ihren Vögeln. Das Fastland ist in der Lage, dem Gleichwertiges aufzuweisen. - Doch hier wollen wir mit dem Morgenmahl Schluß machen, damit nicht Übersättigung euch den Geschmack am Abendmahle verderbe. Der aber, der alles mit seiner Schöpfung erfüllt und uns in allem leuchtende Denkmäler seiner Wunder hinterlassen hat, erfülle eure Herzen mit aller geistigen Freude in Christus Jesus, unserm Herrn, dem Ehre und Macht von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.
