11. Cap. Schriftbeweis dafür, dass Vater und Sohn zwei verschiedene Personen sind, aus Isaias und den Psalmen.
Du müsstest es aber aus der hl. Schrift so klar beweisen, wie wir beweisen, dass Gott sein Wort zu seinem Sohne gemacht hat. Wenn er nämlich die Bezeichnung Sohn gebraucht, und der Sohn kein anderer ist, als der, welcher aus ihm hervorging, das Wort aber eben das aus ihm Hervorgegangene, so wird dieses sein Sohn sein, nicht er selber, aus dem es hervorging. Er ging ja nicht aus sich selbst hervor. Da Du nun aber Vater und Sohn für dieselbe Person ausgibst und letztern aus sich selber hervorgehen lässest,1 so lässest du damit auch das hervorgehen, was eigentlich Gott ist. Wenn er das hätte thun können, so hat er es doch faktisch nicht gethan. Oder aber lass einen Beweis sehen, wie ich ihn gefordert habe, der dem meinigen analog ist, d. h. dass die hl. Schrift in derselben bestimmten Weise Vater und Sohn für identisch ausgibt, wie sie bei uns als Vater und Sohn dastehen. In bestimmter, nicht in geteilter Weise sage ich. Wie wenn ich den Ausspruch Gottes anführe: „Mein Inneres liess hervorgehen das sehr gute Wort”,2 so müsstest du irgendwo als göttlichen Ausspruch auftreiben und uns entgegenstellen: Ich habe mich, als das sehr gute Wort, aus meinem Innern hervorgehen lassen, so dass er selber es ist, der hervorgehen lässt und hervorgeht, so dass, wer hervorgebracht wird, derselbe ist wie der, welcher hervorbringt, er selber das Wort und Gott zugleich. Ich lege nun die Anrede des Vaters an den Sohn vor: „Mein Sohn bist Du, heute habe ich Dich gezeugt.”3 Wenn Du verlangst, dass ich den Vater und den Sohn für die nämliche Person halten soll, so zeige mir, dass er irgendwo anders gesprochen habe: Der Herr sprach zu sich: Mein Sohn bin ich, heute habe ich mich S. 523 gezeugt. — Ebenso: Vor dem Morgenstern habe ich mich gezeugt — und — Ich, der Herr, habe mich heute gegründet zu Anfang meiner Wege zu meinen Werken, vor den Hügeln habe ich mich gezeugt, und was es sonst noch für Stellen der Art gibt.
Vor wem sollte sich Gott, der Herr des Weltall, scheuen, so zu reden, wenn die Sache sich wirklich so verhielte? Oder hat er etwa zu befürchten, man werde ihm nicht glauben, wenn er sich schlechtweg Vater und Sohn genannt hätte? Nein, er hatte nur eins zu fürchten — Unrichtiges zu sagen — und hat sich gescheut vor sich selbst und seiner Wahrhaftigkeit. Weil ich also an die Wahrhaftigkeit Gottes glaube, so weiss ich, dass sein Verhalten nicht anders war als sein Ausspruch und sein Ausspruch nicht anders als sein Verhalten. Du aber machst ihn zum Lügner, Betrüger und Irreleiter der Gläubigen, indem er, obwohl er sich selbst Sohn war, einem anderen die Persönlichkeit des Sohnes beilegte. Denn alle Bücher der hl. Schrift beweisen klar die Dreifaltigkeit und deren Unterschiede. Davon leitet sich denn auch unsere Endeinrede her, wenn wir sagen, der, welcher spricht, und der, von welchem und zu welchem gesprochen wird, kann nicht eine und dieselbe Person sein. Denn Gott ist weder eines läppischen noch eines betrügerischen Redens fähig, in der Art, dass er einen andern und nicht sich selbst anreden könnte, wenn er es selbst ist, zu dem er redet.
Lass Dir also auch noch die anderen Aussprüche des Vaters in betreff des Sohnes bei Isaias vorlegen. „Siehe, mein Sohn bist Du, den ich erwählt habe, in welchem ich mir wohlgefalle; ich werde meinen Geist auf ihn legen und er wird den Nationen ihr Urteil verkünden.”4 Lass Dir auch die folgenden an ihn gerichteten Worte vorlegen: „Etwas grosses ist es Dir, dass Du mein Sohn genannt wirst, die Stämme Jakobs aufzurichten und die Zerstreuung Israels zu wenden. Ich habe Dich hingestellt zum Licht für die Heiden, damit Du das Heil seiest bis an die Enden der Erde.”5 Höre nun auch die Aussprüche des Sohnes über den Vater: „Der Geist des Herrn ist über mir, deshalb hat er mich gesalbt, zu predigen den Menschen.”6 Ebenso im Psalm die Worte an den Vater: „Verlass mich nicht, bis ich Deinen Arm allen zukünftigen Generationen verkündigt haben werde.”7 Und in einem andern Psalm: „O Herr, warum sind die vervielfältigt, welche mich hassen.”8 Fast alle Psalmen, welche etwas von Christi Person enthalten, lassen den Vater durch den Sohn, d. h. Christus, durch Gott, angeredet werden. Bemerke auch, wie der hl. Geist in der dritten Person vom Vater und Sohn redet: „Es sprach der Herr zu meinem Herrn. Setze Dich zu meiner Rechten, bis ich Deine S. 524 Feinde legen werde zum Schemel deiner Füsse.”9 Ebenso durch den Mund des Isaias: „So spricht der Herr zu dem Herrn, meinem Gesalbten”10 und durch denselben zum Vater über den Sohn: „Herr, wer hat unserem Worte geglaubt und der Arm des Herrn, wem ist er geoffenbart? Wir redeten von ihm, wie das Kind, wie eine Wurzel in durstendem Lande, und er hatte keine Gestalt und keine Herrlichkeit.”11
Diese wenigen Stellen statt vieler! Denn wir wollen nicht alle Bücher der hl. Schrift nachschlagen, da wir bei den Detailuntersuchungen in betreff der einzelnen Capitel noch einen weiteren Kampf vor uns haben, wenn wir seine Majestät und Hoheit als eine vollständige erweisen. Mit diesen wenigen Stellen ist also die in der Trinität gegebene Sonderung klar genug dargelegt. Denn es ist ja der hl. Geist selbst, der die Aussprüche gibt, der Vater, an den er sie richtet, und der Sohn, den sie betreffen. In dieser Weise stellen auch die übrigen Aussprüche der hl. Schrift, die bald in betreff des Sohnes an den Vater oder an den Sohn, bald in betreff des Vaters an den Sohn oder an den Vater, bald an den hl. Geist gerichtet sind, jede einzelne Person in ihrer Besonderheit hin.
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Das Komma muss hinter semetipso stehen, nicht hinter facis. ↩
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Ps. 44, 1 [lies: Ps. 44, 2]; [hebr.: Ps. 45, 2]. ↩
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Ps. 2, 7 [hebr.: Ps. 2, 7]. ↩
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Js. 42, 1. Dort stellt freilich nicht filius, sondern servus. Ebenso in der folgenden Stelle. ↩
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Is. 49, 6. ↩
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Is. 61, 1. ↩
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Ps. 70, 18 [hebr.: Ps. 71, 18]. ↩
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Ps. 3, 2 [hebr.: Ps. 3, 2]. ↩
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Ps. 110, 1 [lies: Septuag. Ps. 109, 1]; [hebr.: Ps. 110, 1]. ↩
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Is. 45, 1. ↩
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Is. 53, 1. Scheint nach dem Gedächtnis citiert. ↩