19. Cap. Ebensowenig wird die Teilnahme der Sophia an der Erschaffung der Welt durch die Stelle Is. 44, 24 ausgeschlossen. Wenn also in der hl. Schrift neben dem ursprünglichen Gott noch ein zweiter vorkommt, so bedingt das doch keine Zweiheit von Göttern.
Sie werden als Scheinbeweis für die Einzigkeit auch noch den Ausspruch aufgreifen: „Ich allein habe den Himmel ausgespannt”.1 „Ich allein”, heisst es im Hinblick auf die übrigen Mächte und es werden damit die Mutmassungen der Häretiker abgeschnitten, die behaupten, die Welt sei von den Engeln und von verschiedenen Mächten erbaut, und die den Schöpfergott selbst entweder zu einem Engel machen oder ihn in bezug auf die übrigen äusseren Dinge, wie die Geschöpfe in der Welt, einen unterstützungsbedürftigen Unwissenden sein lassen. Hat er aber den Himmel in der Weise als der alleinige ausgebreitet, wie die jetzigen Häretiker es in ihrer Verschrobenheit sich vorstellen, als ein Einzelner2, dann dürfte die bekannte Weisheit nicht zugelassen werden, die da sagt: „Als er den Himmel bereitete, war ich bei ihm.” Und wenn der Apostel sagt: „Wer hat den Sinn des Herrn erkannt, oder wer ist sein Ratgeber gewesen?”,3 so meint er natürlich: Niemand mit Ausnahme der Sophia, die bei ihm war. Sie aber hat in ihm und mit ihm alles gestaltet und er wusste sehr wohl, was sie machte. Mit Ausnahme der Sophia heisst S. 537 aber, mit Ausnahme des Sohnes, der da ist Christus, die Weisheit und Kraft Gottes, der dem Apostel zufolge den Sinn des Vaters erkannt hat.4 „Denn, wem ist kund, was in Gott ist, als dem Geiste, der in ihm ist”, nicht ausserhalb? Es gab also einen, der bewirkte, dass Gott nicht mehr ein Einzelner ist, es sei denn gegenüber andern.5
Auch das Evangelium müsste zurückgewiesen werden, weil es sagt, dass alles von Gott gemacht sei durch das Wort und ohne dasselbe nichts gemacht sei.6 Wenn ich nicht sehr irre, so steht anderswo auch: „Durch sein Wort sind die Himmel gefestigt worden und durch seinen Hauch alle ihre Kräfte.”7 Sein Wort aber und seine Macht und seine Sophia, das wäre ja eben der Sohn Gottes. Wenn also alles durch den Sohn geworden ist, so hat auch der, welcher den Himmel durch den Sohn ausbreitete, es nicht allein gethan, es sei denn allein gegenüber andern. Und daher sagt er sofort vom Sohne: „Wer war es sonst, der die Wunder und Weissagungen der Bauchredner aus ihren Herzen riss, der die Weisen umkehrte, ihre Ratschläge zur Thorheit machte8 und die Worte seines Sohnes sistierte, indem er sagte: „Dieser ist mein geliebter Sohn, ihn sollt ihr hören.”9 Indem er also so selbst den Sohn daranreiht, gibt er die Erklärung über die Art, wie er allein es war, der den Himmel ausspannte, nämlich er allein mit seinem Sohne, und auch eins mit ihm. „Ich allein habe den Himmel ausgespannt” wird also wohl auch ein Ausspruch des Sohnes sein, da die Himmel ja durch „das Wort” befestigt sind. Weil der Himmel durch die Sophia in dem ihr zur Seite stehenden Worte bereitet und alles durch das Wort geschaffen worden ist, so gehörte es sich auch, dass der Sohn allein den Himmel ausspannte, weil er allein beim Wirken des Vaters hilfreiche Hand leistete. Er wird es auch sein, der sagt: „Ich bin der erste und der letzte”.10 Das erste nämlich von allem ist das Wort. „Im Anfange war das Wort”, in dem Anfange nämlich, wo der Vater es ausgehen liess. Der Vater aber, weil aus keinem hervorgegangen, weil ungeboren, hat keinen Anfang und kann nicht gesehen werden. Wer immer der einzige war, kann keiner Zeitfolge unterworfen sein.
Wenn sie also meinen, deshalb Vater und Sohn für eine Person ansehen zu müssen, um die Einheit Gottes aufrecht zu erhalten, so sage ich, die Einheit besteht unbeeinträchtigt bei dem, der, obwohl er einer ist, doch einen Sohn hat, welcher ebenfalls in denselben Schriftstellen mit inbegriffen ist. Wollen sie den Sohn nicht als den zweiten nach dem Vater angesehen wissen, damit dieser zweite nicht Anlass gebe, von zwei Göttern zu reden, so haben wir gezeigt, dass auch in der hl. Schrift zwei Götter S. 538 und zwei Herren erwähnt werden.11 Um ihnen aber damit kein Ärgernis zu verursachen, haben wir den Grund angegeben, warum man doch nicht von zwei Göttern und zwei Herren redet, sondern weshalb Vater und Sohn zwei Personen sind, und zwar nicht infolge einer substanziellen Trennung, sondern der Ökonomie. Denn wir erklären den Sohn für ungetrennt und ungeschieden vom Vater, als einen andern, nicht dem Wesen, sondern der Stellung nach, der, obwohl Gott, und wo von ihm die Rede ist, der einzige genannt wird, doch darum keine Zweiheit in Gott verursacht, sondern die Einheit bestehen lässt, gerade aus dem Grunde, weil er zur Benennung Gott nur infolge der Einheit des Vaters gelangt.
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Is. 44, 24. ↩
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Hinter singularis muss notwendig ein Komma stehen; denn mit non beginnt der Nachsatz. ↩
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Röm. 11, 34. ↩
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I. Kor. 2, 11. ↩
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Göttern. ↩
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Joh. 1, 3. ↩
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Ps. 32, 6 [hebr.: Ps. 33, 6]. ↩
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Nach Is. 44, 25. ↩
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Matth. 17, 5. Luk. 9, 35. Dieselbe Stelle führt der Autor Marc. IV, 22, mit denselben Worten an. ↩
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Is. 41, 4. ↩
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Vgl. oben c. 13. ↩