7. Cap. Das Werden des göttlichen Wortes nach den Sprichwörtern und einigen Psalmen. Seine Persönlichkeit und Substanzialität.
Seine Eigenart und seinen Schmuck, seinen Laut und Ton empfing das Wort selbst damals, als Gott sprach: „Es werde Licht”.1 Das ist die eigentliche Geburt des Wortes, wenn es aus Gott ausgeht, nachdem es von ihm unter dem Namen der Sophia zuerst zum Denken gegründet worden war. „Der Herr gründete mich am Anfang der Wege.”2 Sodann wurde es zum Wirken gezeugt: „Als er den Himmel bereitete, war ich bei ihm.”3 Darnach machte er es sich gleich. Durch sein Ausgehen aus ihm ist es sein „eingeborener Sohn”4 geworden, weil vor allem geboren, und zugleich einziger Sohn, weil allein aus Gott geboren im eigentlichen Sinne aus dem Mutterschoosse seines Herzens, wie der Vater selber bezeugt: „Mein Herz liess aufsteigen das vortreffliche Wort”.5 Sodann sich über ihn freuend, sagt er zu ihm, der sich ebenfalls an seiner Person erfreute: „Du bist mein Sohn, heute habe ich Dich gezeugt” und „vor dem Morgenstern habe ich Dich gezeugt.”6 In ähnlicher Weise S. 517 bekannte auch der Sohn in seiner Person unter dem Namen der Sophia den Vater: „Der Herr hat mich gegründet zum Anfang der Wege zu seinen Werken”; „vor allen Hügeln hat er mich gezeugt.”7 Wenn hier die Sophia allerdings zu sagen scheint, dass sie vom Herrn zu seinen Werken und Wegen gegründet sei, anderwärts dagegen erklärt wird, dass durch das Wort alles und ohne dasselbe nichts gemacht worden sei,8 wie es auch wiederum heisst: „Durch sein Wort sind die Himmel befestigt und durch seinen Geist alle ihre Gewalten”,9 natürlich durch den Geist, der dem Worte innewohnte, — dann leuchtet ein, dass der Name „Sophia” und die Bezeichnung „Wort”, die den Anfang der Wege zu den Werken Gottes erhielt und den Himmel befestigte, durch welche alles gemacht und ohne die nichts gemacht worden ist, — eine und dieselbe Bedeutung haben.
Doch nun nichts mehr über den Irrtum, als sei es nicht das Wort selber, das auch unter dem Namen der Sophia, des Intellektes und des gesamten göttlichen Odems und Geistes Sohn Gottes geworden ist, von welchem letztern es ausging und erzeugt wurde! Folglich gebt Ihr zu, fragt man uns, dass das Wort, das auf dem Geiste und der Übergabe der Sophia beruht, eine Substanz sei? Allerdings. Man will nämlich nicht, dass das Wort kraft seiner ihm eigentümlichen Substanz Substanzialität habe, dass es nicht als Ding für sich und als Person erscheine und dass somit der von Gott als zweiter hingestellte nicht imstande sei, das Dasein zweier Personen zu bewirken, des Vaters und des Sohnes, Gottes und des Wortes. Denn, sagt man, was ist denn Wort anders als ein Laut und Ton des Mundes, oder wie die Grammatiker sagen, bewegte Luft, die dem Gehör vernehmlich wird, im übrigen aber etwas Wesenloses, Leeres und Unkörperliches?
Dagegen behaupte ich, aus Gott kann nichts Wesenloses und Leeres hervorgehen, weil es nämlich nicht aus etwas selbst Wesenlosem und Leerem hervorgegangen ist, und was von einer so erhabenen Substanz ausging und so bedeutende Substanzen hervorrief, das kann nicht selber ohne Substanz sein. Denn, was durch ihn geschaffen worden ist, das erschuf er selber. Was sollte es heissen, wenn der, von welchem alles gemacht worden ist, selber nichts wäre, dass ein Wesenloser das Stoffliche, das Leere Volles, der Unkörperliche Körperliches gemacht habe?! Wenn das Bewirkte auch manchmal vom Bewirkenden verschieden sein kann, so kann doch nichts gewirkt werden durch ein wesenloses und leeres Ding. Ist nun wohl das Wort Gottes, das auch Sohn genannt, das sogar selbst als Gott bezeichnet wird, etwas Leeres und Wesenloses? „Das Wort war bei Gott und Gott war das Wort.” Es steht geschrieben: „Du sollst den Namen Gottes nicht eitel nennen.” Es ist ganz gewiss dasselbe mit S. 518 dem, „der, da er als ein Bild Gottes hingestellt war, es nicht für Raub hielt, Gott gleich zu sein”.10 Aber in welchem Bilde Gottes? Jedenfalls nicht in einem unähnlichen, nicht in einem schlechten. Denn wer wollte leugnen, dass Gott, obwohl Geist, doch auch Körper sei. Denn der Geist ist Körper in seiner Weise, in seinem Bilde. Ja auch die unsichtbaren Dinge, so viel deren existieren, haben bei Gott sowohl ihren Körper als auch ihre Gestalt, wodurch sie Gott sichtbar sind; um wie viel weniger wird das, was aus seiner Substanz selber hervorgegangen ist, der Substanzialität entbehren. Welches nun auch die Substanz des Wortes ist, ich nenne es eine Person, lege ihm den Namen Sohn bei, und indem ich es als Sohn anerkenne, behaupte ich, er sei der zweite nach dem Vater.
