26. Cap. Die drei anderen Evangelien stimmen darin mit dem des Johannes überein.
Wir haben wegen der einen Frage des Philippus und der Antwort des Herrn darauf, wie es scheint, nun das ganze Evangelium Johannes durchgenommen, damit uns nicht durch diese eine Stelle so viele frühere und spätere deutliche Aussprüche umgestürzt würden. Denn sie ist im Einklang mit sämtlichen Stellen nicht aber gegen dieselben, oder gar gegen ihren eigenen Sinn zu deuten. Um aber die anderen Evangelien, welche zur Bewahrheitung des Glaubens von der Geburt des Herrn dienen, nicht auch herbeiziehen zu müssen, genügt es, zu bemerken, dass der, welcher von der Jungfrau geboren werden sollte, vom Engel selbst bündig als Sohn Gottes angekündigt wurde. „Der Geist Gottes wird Dich überkommen und die Kraft des Allerhöchsten Dich überschatten, darum wird das Heilige, was aus Dir wird geboren werden, Sohn Gottes heissen.”1 Die Gegner werden zwar auch hier ihre Spitzfindigkeiten anbringen wollen, aber die Wahrheit wird obsiegen. Sie geben nämlich vor, der Sohn Gottes sei Gott und die Kraft des Allerhöchsten sei der Allerhöchste. Und es geniert sie nicht, wenn man ihnen einwendet, wenn er es wäre, so stände es da. Denn vor wem braucht er sich zu fürchten, offen zu sagen: Gott wird über Dich kommen und der Allerhöchste Dich überschatten?
Wenn aber der Engel den Ausdruck braucht „der Geist Gottes”, und auch nur den Geist Gottes, nicht direkt Gott namhaft macht, so wollte er, dass man nur an den Teil des Ganzen denke, welcher ausgehen würde mit dem Namen: Sohn. Dieser Geist Gottes wird derselbe sein mit dem Worte Gottes. Denn wie wir, wenn Johannes sagt „das Wort ist Fleisch geworden”, bei der Erwähnung des Wortes den Geist darunter verstehen, so erkennen wir auch umgekehrt hier in der Benennung Geist das Wort. Denn der Geist ist ja das Wesen des Wortes und das Wort die Wirkung des Geistes, und beide sind eins. Johannes würde aber die Incarnation eines andern lehren, als die Incarnation dessen, die der Engel als zukünftig verkündete, wenn nicht der Geist das Wort und das Wort der Geist wäre. Wie also nicht der das Wort Gottes ist, dessen das Wort ist, so auch nicht der Geist; und wenn er auch Gott genannt wird, so ist er doch nicht selbst der, dem er angehört. Wenn eine Sache einem gehört, so ist sie nicht er selbst. Wenn eine Sache aus jemandem ist, und in der Weise ihm angehört, dass sie aus ihm ist, so kann sie allerdings etwas ähnliches sein, wie der selbst ist, aus dem sie ist und dem sie angehört. Darum ist auch der Geist Gott und das Wort Gott, weil sie aus ihm sind, aber doch nicht die Person, aus der sie sind. Wenn er, als ein eine Substanz S. 550 besitzendes Wesen Gott aus Gott ist, so wird er nicht Gott selber sein, sondern nur insoweit Gott, als er aus der Substanz Gottes und darum selbst ein Substanz besitzendes Wesen und gewissermaassen ein Teil des Ganzen ist. Noch weniger wird die „Kraft des Allerhöchsten” der Allerhöchste selber sein, aus dem Grunde, weil sie nicht einmal ein Substanz besitzendes Wesen ist wie der Geist, so wenig als die Weisheit und Vorsehung Gottes, die auch keine Substanzen sind, sondern Accidenzen einer wie immer beschaffenen Substanz. Die Kraft tritt zum Geiste hinzu, sie ist nicht der Geist selber.
Da also diese Dinge, wie sie auch sein mögen, der Geist, das Wort und die Kraft Gottes der Jungfrau mitgeteilt wurden, so ist das aus ihr Geborene der Sohn Gottes. Dass er das sei, bezeugt er in unsern Evangelien selber sofort von seiner Kindheit an. „Wusstet Ihr nicht”, fragt er, „dass ich in dem sein müsse, was meines Vaters ist?”2 Als solchen kannte ihn auch der Satan bei den Versuchungen: „Wenn Du der Sohn Gottes bist?”3 Als solchen bekennen ihn in der Folge die Dämonen: „Wir wissen, wer Du bist, Du Sohn Gottes.”4 Auch betet er den Vater an. Von Petrus als der Messias Gottes anerkannt, lehnt er es nicht ab. Im Geiste zum Vater aufsteigend sagt er: „Ich bekenne vor Dir, o Vater, dass Du dieses den Weisen verborgen hast.”5 Auch dort bestätigt er, dass der Vater Niemandem bekannt sei als dem Sohne, und dass der Sohn des Vaters die, welche ihn bekennen, vor dem Vater bekennen und die, die ihn verleugnen, vor ihm verleugnen werde.6 Er trägt eine Parabel vor, die nicht von einem Vater, sondern von einem Sohne handelt, der nach mehreren Knechten in den Weinberg geschickt, von den bösen Winzern erschlagen und vom Vater gerächt wird; den Tag und die letzte Stunde, die der Vater allein weiss, kennt er selber auch nicht; er übergibt seinen Schülern das Reich, wie es ihm vom Vater übergeben ist; er hat die Macht, Legionen Engel vom Vater zur Hilfe zu verlangen; er ruft, der Vater habe ihn verlassen; er übergibt seinen Geist in die Hände seines Vaters; er verspricht nach seiner Auferstehung den Jüngern die Verheissung des Vaters zu senden; er trägt ihnen zuletzt auf, zu taufen auf den Vater, den Sohn und den hl. Geist, nicht auf einen, denn wir werden nicht einmal, sondern dreimal bei Nennung jedes einzelnen Namens auf die einzelnen Personen untergetaucht.