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Er rüstete sich also in diesem Gewände1 , Gott das Opfer darzubringen. Ein Wunder ist, was ich jetzt S. 105erzähle. Während er am selben Tage, wie es Brauch ist, den Altar beräucherte, sahen wir über seinem Haupte eine Feuerkugel leuchten, derart, daß sie, in die Höhe steigend, einen langen Lichtschweif2 herniedersenkte. Obwohl dieses Wunder, wie wir sahen, an einem Festtage in Gegenwart einer großen Volksschar geschah, wurde es doch bloß von einer Jungfrau, einem Priester und drei Mönchen wahrgenommen. Warum es den andern verborgen blieb, vermag ich nicht zu entscheiden.
Ungefähr zur selben Zeit wurde mein Onkel Evanthius3 , der trotz seiner vielfachen weltlichen Geschäfte ein Mann von echt christlicher Gesinnung war, in schwerer Krankheit schon vom Tode bedrängt. Da ließ er Martinus zu sich rufen. Der machte sich eilends auf den Weg. Noch hatte der heilige Mann nicht die Hälfte des Weges zurückgelegt, da fühlte der Kranke die Wunderkraft des Kommenden, ward plötzlich geheilt und kam uns selbst entgegen. Andern Tags wollte Martinus heimkehren, doch ließ er sich durch vieles Bitten noch weiter zurückhalten. Inzwischen hatte eine Schlange einen jungen Knecht gebissen. Schon war er infolge der Wirkung des Giftes halb tot. Evanthius selbst trug ihn auf seinen Schultern herbei und legte ihn dem Heiligen zu Füßen, im festen Glauben an dessen Allvermögen. Das schleichende Gift hatte bereits alle Glieder ergriffen; man sah, wie die Adern hochaufgeschwollen und der Leib aufgetrieben war. Martinus streckte seine Hand aus, berührte alle Glieder des Knechtes und legte seinen Finger neben die kleine Wunde, durch die das Gift des Tieres eingedrungen war. Da, o Wunder — von überallher zurückgerufen, lief das Gift ganz sichtbar auf den Finger des Martinus zu, staute sich an der kleinen offenen Wunde und schoß dann mit Blut untermischt heraus. Ganz ähnlich fließt aus dem Euter der Ziegen und Schafe unter der melkenden Hand des Hirten in langem Strahle S. 106reichlich Milch heraus. Der Knecht stand auf, vollständig gesund. Wir waren über solch ein Wunder ganz verblüfft. Das unleugbare Geschehnis nötigte uns zuzugestehen, daß niemand unter dem Himmel Martinus gleichkomme.
Die priesterliche Kleidung, auch bei don Funktionen am Altar, unterschied sich nicht vom Amtskleid der römischen Beamten zur Kaiserzeit, einem ärmellosen, weiten, mantelartigen Gewände, amphibalum, casula, planeta, paenula genannt. Noch Papst Cölestin I. [f 482] verbot, das hl. Meßopfer in einem besondern Gewände zu feiern [Mansi, Concil. IV, 464 s.]. ↩
Der Ausdruck lehnt sich an Veigil, Aen. V, 527 und Valerius Flaccus, Argonaut. I, 205 an. ↩
Ein Evanthius war Comes unter Konstantes [Pauly s. v.]. ↩
