3.
Ein andermal waren wir wieder mit ihm auf der Reise, als er die Pfarreien besuchte1 . Während wir aus irgendeinem Grunde aufgehalten wurden, war er eine kleine Strecke vorangegangen. Da kam auf der Landstraße ein Staatswagen daher, ganz besetzt mit Beamten. Als die Zugtiere Martinus im zottigen Gewände mit dem schwarzen, wallenden Mantel ganz nahe neben sich erblickten, scheuten sie und wichen etwas zur Seite. Die Stränge verwickelten sich und die langen Reihen gerieten in Unordnung; denn, wie du schon oft gesehen hast, werden die armen Tiere in langen Zügen2 aneinander geschirrt. Mühsam machte man sie frei; dadurch verzögerte sich die eilige Weiterreise. Aufgebracht über dieses Mißgeschick, sprangen die Beamten rasch aus dem Wagen und drangen mit Peitschen und Stöcken auf Martinus ein. Der aber bot, ohne etwas zu sagen, mit unbegreiflicher Geduld seinen Rücken ihren Schlägen dar, brachte aber dadurch die Unseligen in nur noch größere Raserei. Da er die Schläge ja verachtete, als spüre er sie nicht, steigerte das bloß ihre Wut. Wir eilten sofort herbei, fanden ihn entsetzlich blutend und am ganzen Leibe zerfleischt; wie entseelt war er zu Boden gestürzt. Sogleich setzten wir ihn auf seinen Esel3 , eilten rasch weg und verfluchten den Ort dieser Bluttat. Mittlerweile waren jene, nachdem sie sich ausgetobt hatten, zu ihrem Wagen zurückgekehrt. Sie gaben Befehl, die Tiere zur Weiterfahrt anzutreiben. Allein diese standen wie angemauert da, gleich ehernen Bildern. Die Treiber schrieen lauter, auf allen S. 107Seiten knallten die Peitschen — allein die Tiere waren durchaus nicht von der Stelle zu bringen. Jetzt erhoben sich alle, um vereint dreinzuschlagen, die gallischen Peitschen gingen in Stücke beim Einhauen auf die Maultiere, ein ganzes Gehölz in der Nähe wurde zusammengerissen, und mit diesem Prügelholz wurden die Tiere jämmerlich zugerichtet. Doch nichts, gar nichts vermochten die rohen Hände: auf ein und demselben Fleck blieben sie stehen, die eingemauerten Erzbilder. Die unglücklichen Menschen wußten sich nicht zu helfen. Sie konnten sich trotz ihrer tierischen Gesinnung doch der Erkenntnis nicht mehr verschließen, daß Gottes Wundermacht sie festbanne. Endlich gingen sie in sich und erkundigten sich, wer der sei, den sie kurz vorher an eben der Stelle mißhandelt hatten. Da erfuhren sie auf ihr Fragen hin von Leuten, die des Weges kamen, daß es Martinus gewesen, den sie so grausam geschlagen hatten. Jetzt war ihnen allen die Sache klar, sie konnten es mit Händen greifen, daß sie ob der Unbill, die sie ihm angetan hatten, zurückgehalten wurden. Deshalb eilten alle raschen Schrittes uns nach. Im Bewußtsein ihrer bösen Tat, schamverwirrt, mit Tränen in den Augen, Haupt und Gesicht mit Staub bestreut, womit sie sich selbst verunstaltet hatten, warfen sie sich Martinus zu Füßen. Sie flehten um Gnade und baten, er möge sie weiter ziehen lassen. Die Pein ihres bösen Gewissens sei schon Strafe genug für sie. Es sei ihnen ganz klar geworden, wie leicht die Erde sie selbst bei lebendigem Leibe an eben der Stelle hätte verschlingen können. Sie selbst hätten leblos zu unbeweglichen Felsen erstarren sollen, so wie die Tiere vor ihren Augen an ihrem Standort festgebannt seien. Sie bäten daher flehentlich, er möge ihnen ihre Untat verzeihen und ihnen gestatten, weiter zu ziehen. Schon ehe sie gekommen waren, wußte der heilige Mann, daß sie festgebannt seien, und hatte es uns schon zum voraus mitgeteilt. Er gewährte ihnen bereitwillig Verzeihung und ließ sie Weiterreisen, indem er ihnen die Tiere gleichsam zurückgab.
