14.
Als wir ihn über das Ende der Welt1 befragten, sagte er uns, zunächst müssen Nero und der Antichrist auftreten, Nero werde zehn abendländische Könige überwinden und dann die Herrschaft führen; er müsse eine Verfolgung eintreten lassen, um so zum Götzendienste zu zwingen. Der Antichrist werde zuerst im Morgenlande die Herrschaft an sich reißen und Jerusalem zur Residenz und Hauptstadt seines Reiches machen. Er werde Stadt und Tempel wiederherstellen. Die Verfolgung, die er anfange, ziele darauf ab, zur Leugnung der Gottheit Christi zu zwingen. Dafür werde er sich selbst als Christus ausgeben und den Befehl erteilen, daß sich alle nach dem Gesetze beschneiden lassen müßten. Nero selbst werde schließlich vom Antichrist vernichtet, und so müßten alle Völker der Erde unter dessen Herrschaft kommen, bis der Gottlose2 durch Christi Ankunft gestürzt werde. Es sei sicher, daß der Antichrist, vom bösen Geiste gezeugt, schon zur Welt geboren sei und in den Knabenjahren stehe. Wenn er das verlangte Alter habe, werde er die Herrschaft an sich reißen3 . Acht Jahre4 sind es, seit wir das aus S. 123seinem Munde vernommen haben. Urteilet selbst, wie schrecklich nahe schon ist, was wir für die Zukunft zu befürchten haben."
Gallus war noch am Erzählen und mit seinem Stoffe nicht zu Ende, als ein Diener eintrat und meldete, der Priester Refrigerius stehe draußen. Da schwankten wir nun unschlüssig, ob wir Gallus noch zuhören oder dem sehnlich erwarteten Manne, den Berufsgeschäfte zu uns führten, entgegengehen sollten. Gallus aber sagte: "Müßte ich auch ob der Ankunft dieses heiligen Priesters meine Erzählung nicht beschließen, so nötigte doch die Nacht, der bisher geführten Unterhaltung ein Ende zu machen. Da jedoch noch lange nicht alles über die Wundertaten des Martinus erzählt werden konnte, so möget ihr euch heute mit dem Gehörten begnügen. Morgen werde ich weiter erzählen." Wir waren mit diesem Versprechen des Gallus einverstanden und erhoben uns daher von unsern Sitzen.
Die Anschauung vom baldigen Weltuntergang teilte der Verfasser mit vielen seiner Zeitgenossen, vgl. P. Reinelt, Studien über die Briefe des hl. Paulinus von Nola [1904] 95/99 und Caspari, Briefe und Abhandlungen [1890] 216 Anmerkung. ↩
Vgl. 2 Thess. 2, 4. ↩
Dieses Kapitel hat den hl. Hieronymus dazu veranlaßt, Sulpicius Severus In Ezech. XI, 36 als Millenarist zu bezeichnen. Er hat sich aber darin getäuscht [s. Dissertatio V bei De Prato 1, 259/72]. Die Notiz bei Hieronymus hat wohl auch verschuldet, daß die Dialogo im Decretum Gelasianum unter den verworfenen Büchern aufgerührt werden [E. v. Dobsohütz, Das Decretum Gn-lasianum [Texte u. Unters. 38, 4 Leipzig 1912] 56; 812 f.]. ↩
Also ist dieser Dialog wohl 404 geschrieben. ↩
