2.
Wie Du mir mitteilst, hat sich der Bruder Rufin noch nicht eingefunden. Wenn er auch gekommen wäre, so würde dies meiner Sehnsucht nicht viel helfen, da ich ihn doch nicht zu sehen bekäme. Ihn trennt eine solche Entfernung von mir, daß er nicht hierher kommen kann. Mir aber zieht der inzwischen ergriffene Beruf des Einsiedlers Grenzen, so daß ich nicht mehr die Freiheit besitze zu tun, worauf ich verzichtet habe. Deshalb bitte ich, und Du magst meine Bitte mit allem Nachdruck unterstützen, daß er Dir die Kommentare des ehrwürdigen Bischofs Reticius von Augustodunum zum Abschreiben überlasse, in denen dieser das Hohe Lied in gewählter Sprache erklärt hat. 1 Es schrieb mir auch ein Greis aus der Heimat des genannten Bruders Rufin, namens Paulus, 2 daß er noch seine Handschrift Tertullians in Besitz habe. Er läßt dringend um Rücksendung S. 14 bitten. Ich ersuche Dich weiter, Du mögest die Bücher, die ich noch nicht besitze und die in der kurzen Nachschrift erwähnt sind, durch einen Schreiber für mich kopieren lassen. Sei so freundlich und schicke mir auch die Psalmerklärung des hl. Hilarius und dessen umfangreiches Werk über die Synoden, das ich einst in Trier mit eigener Hand für Rufin abgeschrieben habe. 3 Du weißt ja, daß die Nahrung der christlichen Seele darin besteht, bei Tag und Nacht im Gesetz des Herrn zu betrachten. 4 Du nimmst andere gastfreundlich auf, hast Worte des Trostes für sie und hilfst ihnen mit Geldspenden; erfüllst Du meine Bitte, dann hast Du mir viel geschenkt. Da ich mit Gottes Hilfe einen reichen Schatz biblischer Handschriften besitze, so verfüge Deinerseits, was ich Dir davon schicken soll. Fürchte nicht, mir mit Deiner Bitte lästig zu fallen. Ich habe hier junge Leute, welche in der Schreibkunst erfahren sind. Aber ich verspreche auch keine Vergütung für das, was ich verlange. Der Bruder Heliodor ließ mich wissen, daß Du allerlei über die Heilige Schrift suchst, aber nirgends finden kannst. Wenn Du aber auch alles haben solltest, so ist es doch das Vorrecht der Liebe, noch mehr verlangen zu dürfen.
Die Werke des Reticius von Autun, eines Zeitgenossen Konstantins, sind verlorengegangen. (Vgl. B. II2 663 f.) Die erbetene Abschrift hat Hieronymus erhalten, wie sich aus ep. 37 ad Marcellam ergibt. Ganz im Gegensatz zu dem hier gespendeten Lob weigert er sich, den Kommentar an Marcella auszuhändigen, da er unbegreifliche Albernheiten enthalte, in vielen Dingen keine Beachtung verdiene und häufiger Mißfallen als Gefallen hervorrufe. ↩
Paulus aus Concordia. Vgl. Einleitung zu ep. 10 ad Paulum S. 26 f. ↩
Hilarius, Tractatus super Psalmos M PL IX 231—908; De synodis seu de fide 0rientalium M PL X 479—546. (Vgl. B. III 372 ff,; 379 ff.) ↩
Ps. 1, 2. ↩
