[Vorwort]
Es ist, als ob ein Ahnen die Seele unseres Heiligen durchzieht, wenn er am Schlüsse dieses Briefes mit bangen Worten von der Freundschaft spricht, die auf’ hören kann. Ist doch dieser Brief das erste literarische Denkmal, in dem er des Mannes gedenkt, mit dem er im späteren Leben so manches Mal in bitterster Fehde die Waffen kreuzen sollte. Es ist der Presbyter Rufin, mit dem ihn einst zu Rom innige Studienfreundschaft verband, der auch zum trauten Freundeskreise in Aquileja gehörte. Ein „plötzlicher Sturm“, unter dem wir uns nichts Bestimmtes vorstellen können, trennte die beiden Freunde im Jahre 373.1 Rufinus, der Mönch geworden war, unternahm mit der älteren Melania, einer frommen und vornehmen römischen Dame, eine Wallfahrt zu den Mönchssiedlungen in der nitrischen Wüste, um sich dann in Palästina niederzulassen. Hieronymus gibt seiner großen Freude über das Interesse des Freundes für das Eremitentum Ausdruck. Anschließend schildert er seine Erlebnisse seit den Tagen ihrer Trennung. Es folgt eine begeisterte Lobrede auf den gemeinsamen Freund Bonosus, der das gemeinsame Ideal auf einer öden dalmatinischen Insel bereits verwirklicht hat. Der Brief endet mit der Bitte, die alte Freundschaft weiter zu pflegen. Er dürfte im Hochsommer 374 zu Antiochia geschrieben sein, kurz bevor sich Hieronymus in der Wüste Chalkis niederließ.
Vgl. hierzu Cav. I 2, 75 ff.; Gr. I 146 f. ↩
