1.
Deinen Brief, in welchem Dein gütiges Wohlwollen sich ganz gegen mein Erwarten so anerkennend äußert, habe ich gelesen. Gewiß habe ich mich über die Anerkennung eines so ehrenwerten und gelehrten Mannes gefreut. Freilich bei näherem Nachdenken fühlte ich mich durch das mir gespendete Lob mehr bedrückt als gehoben da ich mich dessen als unwürdig bezeichnen muß. Du weißt ja auch, daß der christliche Glaube das Fähnlein der Demut voranträgt. Er will, daß wir in Niedrigkeit wandeln, um die Höhen zu erklimmen. Bin ich wirklich so überragend und so bedeutend, daß mir ein Lob aus solch gelehrtem Munde zusteht, daß mir jemand die Palme der Beredsamkeit zuerkennt, der selbst so gewandt schreibt, daß ich mich beinahe scheue, zu antworten? Doch ich will es immerhin wagen. Wenn ich mich auch nicht berufen fühle, den Lehrer zu spielen, so will ich doch in christlicher Liebe, die nicht ihren eigenen Nutzen, sondern des Nächsten Wohl sucht, 1 der Pflicht höflicher Begrüßung gerecht werden.
1 Kor. 10, 24. ↩
