Neunter Artikel. Die Rechtfertigung des Sünders ist das größte werk Gottes.
a) Dem ist nicht so. Denn: I. Durch die Rechtfertigung erlangt jemand die Gnade; durch die Verherrlichung aber die ewige,Seligkeit, was Letzteres jedenfalls größer ist. II. Die Rechtfertigung hat zum Zwecke das Gute eines einzelnen. Besser aber ist das Beste des All, was die Erschaffung bezweckte. Also ist letztere ein größeres Werk. III. Größer ist es, etwas aus nichts zu machen; denn da wird nichts als in etwa mitwirkend vorausgesetzt. Die Rechtfertigung aber macht aus dem Sünder einen Gerechten; und ist da die Mitwirkung des letzteren erfordert. Auf der anderen Seite sagt Ps. 144.: „Seine Erbarmungen stehen über allen seinen Werken;“ und in der Kollekte heißt es: „O Gott, der Du Deine Allmacht am meisten durch Schonen und Erbarmen offenbarst;“ und Augustin (tract. 72. in Joan.): „Ein größeres Werk ist es, aus einem Sünder einen Gerechten machen wie Himmel und Erde erschaffen.“
b) Ich antworte; mit Rücksicht auf die Art und Weise zu wirken ist das größere Werk die Erschaffung, wo aus nichts etwas wird; mit Rücksicht auf die Größe dessen, was geschieht, ist das größere Werk die Rechtfertigung des Sünders, die da mündet in das ewige Gut der Teilnahme an der göttlichen Natur, während die Erschaffung mündet in das veränderliche Gut der wechselvollen Natur. Deshalb fügt Augustin I. c. hinzu: „Denn Himmel und Erde wird vergehen, das Heil und die Rechtfertigung aber der Vorherbestimmten wird nicht vergehen.“ Zu bemerken ist jedoch dabei, daß etwas 1. als groß dem Werte und Umfange nach bezeichnet wird; und danach ist schlechthin die Gabe der Herrlichkeit größer wie die der Gnade. Dann wird 2. etwas als groß bezeichnet dem Verhältnisse nach, wie man einen Berg manchmal klein nennt und einen Erdhaufen groß. Und so ist die Rechtfertigung größer wie die Verherrlichung; denn mehr überragt das Geschenk der Gnade das Verdienst und den Wert des Sünders, der Strafe verdient, wie die Herrlichkeit überragt den Wert und das Verdienst des Gerechten. Deshalb fügt oben Augustin hinzu: „Möge urteilen wer da will, ob es ein größeres Werk sei, gerechte Engel zu schaffen, wie die Sünder zu Gerechten zu machen. Ist bei beiden die Macht gleich, so ist das letztere größer in der Barmherzigkeit.“
c) I. Ist beantwortet. II. Die Gnade eines einzelnen ist ein größeres Gut, wie das natürliche Gut des ganzen All, soweit es den natürlichen Kräften angemessen ist. III. Ist beantwortet.
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