Fünfter Artikel. Der Mensch kann sich nicht die erste Gnade verdienen.
a) Dagegen läßt sich geltend machen:. I. Augustin (praef. ad ps. 31.) sagt: „Der Glaube verdient die Rechtfertigung.“ Der Mensch wird aber gerechtfertigt durch die erste Gnade. Also kann der Mensch verdienen die erste Gnade. II. Die Gnade wird nur Würdigen verliehen. Würdig aber eines Gutes wird einzig jener genannt, der es allseitig (gleichwertig) verdient hat. III. Bei den Menschen kann jemand eine schon verliehene Gnade verdienen; wie jemand, der vom Herrn ein Pferd erhalten hat, es in dem Falle noch dazu verdient, wenn er es im Dienste des Herrn gut gebraucht. Gott aber ist freigebiger wie der Mensch. Also kann jemand um so mehr die erste bereits empfangene Gnade von Gott verdienen durch den nachfolgenden guten Gebrauch, den er davon macht. Auf der anderen Seite ist nach Röm. 4, 4. das nicht mehr Gnade, was geschuldet wird. Also kann niemand die erste Gnade verdienen.
b) Ich antworte, die Gabe der Gnade kann betrachtet werden einmal unter dem Charakter eines unverdienten Geschenkes; und so widerstreitet es offenbar dem Wesen der Gnade, daß sie verdient wird, wie auch Rom. 11, 9. bestätigt wird; — dann kann sie betrachtet werden gemäß der Natur der Sache selber, die gegeben wird; und so kann sie ebenfalls nicht unter das Verdienst dessen fallen, der die Gnade nicht hat; sowohl weil sie das Verhältnis der Natur übersteigt als auch weil im Stande der gefallenen Natur der Mensch in sich sogar ein Hindernis dafür hat, die Gnade zu verdienen; nämlich die Sünde. Nachdem aber jemand die Gnade bereits erhalten hat, kann die erhaltene Gnade nicht mehr unter das Verdienst fallen; denn der Abschluß des Werkes ist der Lohn, die Gnade ist das Princip des guten Werkes in uns; vgl. Kap. 109. Verdient jemand aber eine Gnade kraft der vorhergehenden, so handelt es sich schon nicht mehr um die erste. Niemand also kann sich die erste Gnade verdienen.
c) I. Nach 1 Retr. 23. hat Augustin früher darin geirrt, daß er meinte, der Anfang des Glaubens sei von uns und Gott gebe die Vollendung; dies zieht er da zurück. Dazu scheint der obige Text zu gehören. Setzen wir aber, wie das der geoffenbarte Glaube sagt, voraus, daß der erste Glaubensakt bereits der ersten Gnade folgt, so ist er offenbar nicht ein solcher, dem die erste Gnade geschuldet wird. Durch den Glauben also wird der Mensch gerechtfertigt; nicht als ob er dadurch daß er glaubt die Rechtfertigung verdiente, sondern weil er, während er gerechtfertigt wird, glaubt; denn der Akt des Glaubens wird erfordert für die Rechtfertigung des Sünders. II. Gott macht durch seine Gnade erst jemanden würdig für den Zustand der Gnade: „Er allein kann rein machen denjenigen, der empfangen ist von unreinem Samen;“ Job 14. III. Jedes gute Werk in uns geht aus wie vom Princip von der ersten Gnade; nicht aber von einem beliebigen menschlichen Geschenke. Es fehlt da die Ähnlichkeit.
