Zweiter Artikel. Die Gabe des Verständnisses ist zugleich mit dem Glauben.
a) Dementgegen scheint zu sein: I. Augustin (83 Qq. 14.): „Was verstanden wird,“ sagt er, „das wird durch das Begreifen des verstehenden eingeschlossen.“ Was aber geglaubt wird, das wird nicht begriffen, nach Philipp. 3.: „Nicht als ob ich bereits begriffen hätte oder schon vollkommen wäre.“ Also ist „Glauben“ nicht vereinbar mit „Verstehen“. II. Was verstanden wird, das wird von der Vernunft geschaut. Der Glaube aber geht auf das „Nichterscheinende“. III. Das Verständnis genießt höhere Gewißheit wie das Wissen. Wissen und Glauben aber können nicht in ein und demselben sein; also noch weniger Verstehen und Glauben. Auf der anderen Seite sagt Gregor (I. mor. 15.): „Das Verständnis erleuchtet die Vernunft mit dem, was gehört worden ist.“ Wer aber Glauben hat, kann im Geiste erleuchtet sein mit Rücksicht auf das Gehörte; weshalb es von den Schülern des Herrn (Luk. ult.) heißt: „Der Herr öffnete seinen Jüngern den Sinn, daß sie verständen die Schrift.“ Also kann das Verständnis zusammen sein mit dem Glauben.
b) Ich antworte, man müsse hier unterscheiden: 1. von seiten des Glaubens; 2. von seiten des Verständnisses. Von seiten des Glaubens ist nämlich das Eine an und für sich und direkt Gegenstand des Glaubens, was den menschlichen Geist durchaus überragt, wie daß Gott dreieinig, daß der Sohn Gottes Mensch geworden sei; — Anderes ist Gegenstand des Glaubens an zweiter Stelle, weil es zu diesem irgendwie Beziehung hat, wie Alles was in der Schrift enthalten ist. Von seiten des Verständnisses aber können wir Manches vollkommen auffassen, wie Jenes, dessen Wesen wir auffassen und die Wahrheit selber des ausgesprochenen Satzes, soweit er eben nur ein Satz ist; — und nach dieser Seite hin können wir nicht in diesem Wesen verstehen, was an und für sich, direkt, Gegenstand des Glaubens ist; wohl aber Anderes, was zum Glauben Beziehung hat. was also an zweiter Stelle Gegenstand des Glaubens ist. Dann wird etwas in unvollkommener Weise verstanden, wann nämlich wohl nicht das Wesen einer Sache oder die Wahrheit selber eines Satzes aufgefaßt wird, sondern nur dies, daß das, was nach außen hin erscheint, der Wahrheit nicht widerstreitet; insoweit der Mensch also dies versteht, auf Grund dessen, was äußerlich erscheint, sei nicht vom Glauben abzuweichen; und nach dieser Seite hin kann man hier auf Erden thatsächlich verstehen auch das, was an und für sich Gegenstand des Glaubens ist.
c) Die ersten drei Einwürfe gehen davon aus, daß man vollkommen versteht, was bei dem, was an sich Gegenstand des Glaubens ist, nicht statthat; der letztgenannte Grund betrifft das, was zum Glauben Beziehung hat.
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