Achter Artikel. Unter den Früchten entspricht der Gabe des Verständnisses der „Glaube“.
a) Dies scheint nicht. Denn: I. Das Verständnis ist umgekehrt die Frucht des Glaubens, nach Isai. 7.: „Wenn ihr nicht glaubet, werdet ihr nicht verstehen“ (70. interpr.), wo wir in Vulgata haben: „Wenn ihr nicht glaubet, werdet ihr nicht dauern.“ II. Der Glaube ist das Erste in der Vernunft für die übernatürliche Erkenntnis; ist er doch das Fundament des ganzen übernatürlichen Baues. Also kann er nicht den Charakter einer Frucht haben. III. Eine größere Zahl von „Gaben“ gehört zur Vernunft wie zum begehrenden Teile. Unter den Früchten aber gehört nur eine zur Vernunft, nämlich der Glaube. Also entspricht diese Frucht ganz gleichermaßen der Weisheit oder dem Rate oder dem Wissen wie dem Verständnisse. Auf der anderenSeite ist der Zweck einer jeden Sache ihre Frucht. Nun ist der Zweck für die Gabe des Verständnisses in erster Linie ein gewisser hoher Grad von Sicherheit und Gewißheit im Glauben; und so aufgefaßt ist der Glaube die Frucht des Verständnisses, wie die Glosse zu Galat. 5. sagt: „Der Glaube als Frucht ist eine gewisse Sicherheit im Glauben.“ Also entspricht der „Glaube“ als Frucht der Gabe des Verständnisses.
b) Ich antworte, als Frucht des heiligen Geistes werde bezeichnet das Letzte und Ergötzliche, was in uns kraft des heiligen Geistes sich ergiebt. Das Letzte und Ergötzliche aber hat den Charakter des Zweckes, der den Gegenstand des Willens bildet. Was also das Letzte und Ergötzliche im Willen ist, das steht gewissermaßen als Frucht all des Anderen da, was den anderen Vermögen zugehört. Danach kann somit für eine Gabe oder für eineTugend, welche einem Vermögen zur Vervollkommnung dient, eine doppelte Frucht angenommen werden: die eine, welche dem betreffenden Vermögen selbst angehört; und die andere als die letzte, welche dem Willen zugehört, der da gemäß seinem Gegenstande, dem Zwecke, alle übrigen Vermögen in Thätigkeit setzt. So entspricht demgemäß der Gabe des Verständnisses als eigene Frucht im nämlichen Vermögen der Vernunft, der „Glaube;“ als letzte Frucht entspricht ihr die Freude, welche dem Willen zugehört.
c) I. Hier wird nicht die Tugend des Glaubens als solche genommen; sondern eine gewisse Sicherheit und Ruhe im Glauben ist die Frucht des Verständnisses. II. Der Glaube kann nicht so im allgemeinen dem Verständnisse vorangehen. Denn der Mensch könnte nicht den einzelnen vorgelegten Glaubenssätzen zustimmen, wenn er sie nicht in etwa verstände. Wohl aber folgt die Vollendung des Verständnisses dem Glauben als Tugend aufgefaßt; und der Glaube, insoweit er der Vernunft Ruhe und Sicherheit gewährt, folgt dann der Vollendung als Frucht. III. Soweit die Gabe des Verständnisses dient der praktischen Thätigkeit, folgt ihr keine Frucht. Denn nach dieser Seite hin ist der Zweck der Vernunft nicht in ihr selbst, wie dies beim reinen Beschauen der Fall ist, sondern ist etwas Anderes. Deshalb hat die Gabe des Rates gar keine Frucht, die ihr entspräche. Soweit aber die Gabe der Weisheit, der Wissenschaft, des Verständnisses zur beschaulichen Kenntnis sich wendet, entspricht ihnen nur eine Frucht: die Sicherheit im Glauben. Mehrere Früchte entsprechen dem begehrenden Teile; denn der Charakter des Endes, des Zweckes gehört vielmehr dem begehrenden Teile zu.
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