Dritter Artikel. Die Gabe des Verständnisses ist eine beschauliche und zugleich auf das Thatigsein gerichtete.
a) Diese Gabe ist eine rein beschauliche. Denn: I. „Das Verständnis durchdringt das Höhere,“ sagt Gregor l. c. Das Thätigsein aber berücksichtigt das Niedrigere, nämlich Einzelverhältnisse und besondere Umstände. II. Das Verständnis als Gabe des heiligen Geistes steht höher wie das Verständnis als Tugend in der Vernunft. Letztere aber hat zum Gegenstande nur das Notwendige. Also ist dies auch bei der Gabe des heiligen Geistes der Fall. Das Thätigsein aber beschäftigt sich nur mit dem, was sich auch anders verhalten kann und somit nicht notwendig ist. III. Die Gabe des Verständnisses erleuchtet den Geist mit Rücksicht auf das, was die natürliche Kraft der Vernunft überragt. Die Gegenstände der menschlichen Thätigkeit aber überragen nicht die natürliche Vernunft, die da zur Leiterin berufen ist für die menschliche Thätigkeit. Auf der anderen Seite heißt es im Ps. 110.: „Das gute Verständnis allen, die seine Gebote erfüllen.“
b) Ich antworte, die Gabe des Verständnisses erstrecke sich nicht bloß auf das, was an sich Gegenstand des Glaubens ist, sondern auch auf das, was zum Glauben in Beziehung steht. Die guten Thätigkeiten aber haben eine gewisse Beziehung zum Glauben, „der ja durch die Liebe wirkt.“ Also erstreckt sich die Gabe des Verständnisses auch auf die Gegenstände der menschlichen Thätigkeit; nicht als ob dies ihr leitender und maßgebender Gegenstand wäre, sondern insoweit ewige Gründe uns lenken und regeln im Handeln und zu deren Erwägung und Heranziehung die dem Höheren zugewandte Vernunft (Aug. de Trin. 12, 7.) bestimmt ist, welche eben ihre Vollendung findet in der Gabe des Verständnisses.
c) I. Soweit die Gegenstände menschlicher Thätigkeit auf die Regel des ewigen Gesetzes bezogen werden, und zum Zwecke haben die Seligkeit, besitzen sie jene Erhabenheit, daß die Gabe des Verständnisses sich mit ihnen beschäftigen kann. II. Das ist die Würde in der Gabe des Verständnisses, daß sie die ewigen notwendigen Gründe nicht nur erwägt, insoweit dieselben in sich bestehen; sondern auch insoweit sie eine gewisse Richtschnur der menschlichen Handlungen enthalten. Denn auf je mehr Dinge eine Erkenntniskraft sich erstreckt, desto höher steht sie. III. Das ewige Gesetz und des Menschen Vernunft bilden die Regel der menschlichen Thätigkeit. Das ewige Gesetz aber überragt die natürliche Vernunft. Die Kenntnis also, welche gemäß dem ewigen Gesetze die menschlichen Handlungen leiten soll, überragt die natürliche Vernunft und bedarf des übernatürlichen Lichtes der Gabe des heiligen Geistes.
