Erster Artikel. Es ist erlaubt, manche lebende Wesen zu töten.
a) Dies scheint durchaus unerlaubt. Denn: I. Röm. 13. heißt es: „Die der Anordnung Gottes widerstehen, ziehen sich selbst die Verdammnis zu.“ Gottes Anordnung aber erhält Alles was lebt, nach Ps. 146.: „Der da Kraut hervorbringt auf den Bergen und ihre Speise giebt den darauf lebenden Tieren.“ Also töten, was nach Gottes Anordnung lebt, ist unerlaubt. II. Der Totschlag ist eine Sünde, weil dadurch der Mensch des Lebens beraubt wird. Das Leben aber ist gemeinsam den Pflanzen und Tieren. Also darf man auch diesen nicht das Leben nehmen. III. Das Gesetz (Exod. 22.) bestimmt eine Strafe für jenen, der den Ochsen oder das Schaf eines anderen tötet. Also ist das Töten der Tiere Sünde. Auf der anderen Seite sagt Augustin (1. de civ. Dei 20.): „Wenn wir hören: Du sollst nicht töten, so verstehen wir dies nicht von den Pflanzen; denn sie haben keinen Sinn. Wir verstehen es auch nicht von den Tieren; denn die Vernunft eint sie nicht mit uns. Also nur auf den Menschen bezieht sich dies.“
b) Ich antworte, niemand sündige, weil er eine Sache dazu gebraucht, wozu sie geschaffen ist. Die unvollkommenen Dinge aber sind in der Ordnung der Natur wegen der vollkommeneren, wie ja die Natur überhaupt vom Unvollkommenen zum Vollkommenen vorwärts geht, insoweit sie im Werden begriffen ist. Wie also auch im Werden des Menschen zuerst das Lebendige kommt, dann das Sinnliche, und endlich der Mensch; so existiert was nur lebt wie die Pflanzen gemeinhin wegen der Tiere und diese wegen der Menschen. Wenn also der Mensch sich der Pflanzen bedient zum Nutzen der Tiere und der Tiere zum Nutzen der Menschen, so liegt da nichts Unerlaubtes vor. (Vgl. 1. Polit. 5. u. 7.) Vor Allem aber ist es notwendig, daß die Tiere sich der Pflanzen bedienen zur Nahrung und die Menschen ebenso der Tiere, was ohne Tötung nicht geschehen kann. Und deshalb besagt die Anordnung Gottes (Gen. 1.): „Siehe, alles Kraut und alle Fruchtbäume habe ich euch gegeben, daß sie euch zur Speise seien und allen Tieren auf der Erde;“ und Gen. 9.: „Was sich bewegt und lebt, soll euch zur Speise sein.“
c) I. „Nach der Anordnung des allgerechten Schöpfers ist Leben und Tod von Pflanzen und Tieren uns untergeordnet.“ (1. de civ. Dei 20.) II. Tiere und Pflanzen haben keine Vernunft und somit keine Selbstbestimmung, daß sie aus sich thätig seien; sie werden nur von außen getrieben. Das ist das natürliche Anzeichen dafür, daß sie von Natur zum Dienen und zum Gebrauche anderer bestimmt sind. III. Der den Ochsen eines anderen tötet sündigt, weil er dessen Besitzer schädigt.
