Achter Artikel. Wer zufällig, ganz absichtslos einen Menschen tötet, der ist nicht der Sünde des Totschlags schuldig.
a) Das Gegenteil wird behauptet. Denn: I. Genes. 4. wird erzählt, Lamech habe beabsichtigt, ein Tier zu töten, und habe dabei, also absichtslos, einen Menschen getötet; dies sei ihm als Menschenmord angerechnet worden. II. Exod. 21. wird gesagt: „Schlägt jemand eine schwangere Frau und macht sie eine Frühgeburt; folgt ihr Tod, so muß Leben für Leben gegeben werden.“ Hier ist also von keiner Absicht der Tötung die Rede. III. Decret. dist. 50. finden sich mehrere Kanones, wo zufällige Tötungen verboten werden. Strafe aber gebührt nur der Schuld. Also ist es die Sünde des Mordes, wenn zufällig und absichtslos jemand getötet wird. Auf der anderen Seite schreibt Augustin (ad Publical.): „Ferne sei es, wenn wir etwas aufrichtig um eines guten Zweckes willen thun und es folgt für jemanden ohne alle unsere Absicht ein übel, daß dies uns angerechnet werde.“
b) Ich antworte, nach Aristoteles (2 Physic.) sei etwas insoweit für eine Urfache zufällig als es außer der Absicht liegt. Also dergleichen Dinge, die nicht beabsichtigt sind, können auch nie Sünden sein, da die Sünde wesentlich als etwas Freiwilliges dasteht. kann jedoch etwas in nebensächlicher Weise beabsichtigt sein; insoweit man nämlich die Hindernisse nicht entfernt. Wer also nicht das entfernt, woraus der Tod eines Menschen folgt, während er es entfernen müßte, der macht sich im entsprechenden Falle des Mordes schuldig. Dies aber kann in zweifacher Weise geschehen: einmal, insoweit jemand Unerlaubtes thut, was er vermeiden muß; kommt es da zum gewaltsamen Tode eines Menschen, so ist, auch wenn letzterer nicht direkt beabsichtigt worden, der betreffende des Mordes schuldig; — dann, insoweit jemand nicht die nötige Sorgfalt entwickelt. Wenn also jemand Erlaubtes thut und die nötige Sorge und Vorsicht gebraucht, so ist er nicht des Mordes schuldig, wenn ein Mensch infolge dieses Thuns getötet wird. Thut er aber Unerlaubtes oder hat er nicht die nötige Vorsicht gebraucht bei seinem sonst erlaubten Thun, so entgeht er nicht der Schuld am Morde, wenn aus seinem Thun der Tod eines Menschen folgt.
c) I. Lamech hat nicht die nötige Vorsicht gebraucht. II. Schlagen eine schwangere Frau ist etwas Unerlaubtes. Folgt also der Tod der Frau oder des beseelten Kindes, so besteht da die Schuld des Mordes, zumal aus solchem Schlagen leicht der Tod folgt. III. Jene Strafen der Kanones beziehen sich auf solche, die Unerlaubtes thun oder nicht die nötige Vorsicht anwenden.
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