Vierter Artikel. Kleriker dürfen nicht den Verbrecher töten.
a) Das Gegenteil erhellt aus Folgendem: I. Nach 1. Kor. 4, 16. sollen wir und zumal also die Kleriker, „Nachfolger Christi sein.“ Gott aber tötete die Verbrecher, nach Ps. 135.: „Gott schlug alle Erstgeburt der Ägypter.“ Moses befahl ebenso den Leviten (Exod. 32.) dreiundzwanzigtausend Menschen zu töten, weil sie das goldene Kalb angebetet hatten. Phineas, ein Priester, tötete den Israeliten, der mit einer Madianiterin sündigte. (Num. 25.) Samuel tötete den Agag, den König Amaleks (1. Kön. 15.); Elias die Priester Baals (3. Kön. 18.); Matathias jenen, der opfern wollte (1. Makkab. 2.); Petrus den Ananias und die Saphna. (Act. 5.) Also dürfen Kleriker Verbrecher töten. II. Die geistige Gewalt ist größer und umfangreicher wie die weltliche, kraft deren man doch Verbrecher töten kann. III. Wer erlaubtermaßen ein Amt ausübt, kann jenen Verpflichtungen nachkommen, die mit jenem Amte verbunden sind. Das Amt eines Fürsten aber bringt es mit sich, daß er die Verbrecher töte. Also Kleriker, die zugleich Fürsten sind, können Verbrecher töten. Sonach steht die Eigenschaft eines Klerikers nicht dem entgegen, daß er Verbrecher töten kann. Auf der anderen Seite heißt es 1. Tim. 3.: „Der Bischof soll ohne Verbrechen sein… kein Weintrinker, er soll keinen schlagen.“
b) Ich antworte, aus zwei Gründen sei es den Klerikern nicht gestattet, Verbrecher zu töten: 1. weil sie Diener des Altares sind, auf welchem das Leiden und der gewaltsame Tod Christi unblutigerweise erneuert wird, der, da Er geschlagen wurde, nicht wieder schlug,“ nach 1. Petr. 2. Denn die Kleriker müssen die Sanftmut ihres Herrn nachahmen, nach Ekkli. 10.: „Wie der Richter des Volkes, so sollen seine Diener sein.“ Die Kleriker sind ferner 2. Diener des Neuen Bundes, wo nicht als Strafe geboten wird die körperliche Tötung oder Verstümmelung. Demnach, um geeignete Diener des Neuen Bundes zu sein, müssen die Kleriker sich dessen enthalten.
c) I. Gott wirkt in Allem, was gut und recht ist; überall aber und in jedem Dinge, wie es der Natur des einzelnen Dinges entspricht. Jeder muß also gemäß seiner Stellung und seiner Natur Gott nachahmen. Mag demgemäß Gott auch die Verbrecher dem Körper nach töten, so brauchen Ihm nicht alle darin zu folgen. Petrus hat nicht mit eigener Hand und eigener Autorität den Ananias und die Saphira getötet, sondern den Ausspruch Gottes betreffs deren Tod veröffentlicht. Die Priester und Leviten des Alten Testamentes waren Diener des Gesetzes, welches körperliche Strafen verhängte; und somit durften sie mit eigener Hand töten. II. Der Dienst der Kleriker hat höhere Dinge zum Zwecke als Verbrecher totzuschlagen; sie müssen sich also nicht mit solch niedrigen Sachen befassen. III. Die kirchlichen Oberen sind manchmal auch weltliche Fürsten; aber nicht als ob sie selber das Todesurteil aussprächen, sondern andere richten unter ihrer Autorität.
