Siebenter Artikel. Die dritte Stunde des Nachmittage ist zulässigerweise als Zeit für die Mahlzeit an Fasttagen angesetzt.
a) Dies scheint nicht. Denn: I. Das Neue Testament ist vollkommener wie das Alte. Im Alten Bunde aber fasteten sie bis zum Abende, nach Lev. 23, 32. Also um so mehr müßte man im Neuen Bunde bis zum Abende warten. II. Es wissen nicht alle, wenn es genau drei Uhr ist. Das Fastengebot aber bezieht sich auf alle. III. Das Fasten ist ein Tugendakt, der zur Abstinenz gehört. Die moralische Tugend aber nimmt nicht die rechte Mitte so für den einen wie sür den anderen; denn „was dem einen zu viel ist, das ist dem anderen zu wenig.“ (2 Ethic.) Also muß da keine bestimmte Stunde festgesetzt werden. Auf der anderen Seite steht ein Kanon des Konzils von Chaleedon, der für die vierzigtägige Faste vorschreibt, erst nach der Non, d. h. um drei Uhr, zu essen.
b) Ich antworte, da das Fasten zur Tilgung der Sünde dienen soll, so sei es geziemend, daß eine gewisse Beschwerde noch zur gewöhnlichen Gewohnheit hinzutrete, so aber, daß die Natur nicht zu sehr leide. Gewohnlich nun ißt man um zwölf Uhr; sowohl weil zu dieser Zeit die allseitige Verdauung vollendet erscheint, nachdem während der Nacht die natürliche Wärme sich ganz nach innen gekehrt wegen der außen umgebenden Kälte der Nachtluft, und nachdem unter Mitwirkung der Tageswärme bis zur Mittagssonne die Säfte sich durch die Glieder ergossen haben; als auch weil die menschliche Natur gegen den Einfluß der Wärme außen in der Luft unterstützt zu werden verlangt, daß nicht die Säfte im Innern aufgezehrt werden. Damit also der fastende eine Beschwernis habe, die zur Austilgung der Schuld durch Buße gehöre, wurde die Zeit der Mahlzeit etwas weiter vorgeschoben. Es entspricht dies auch der Zeit, da „Jesus sein Haupt neigte und starb“; wollen ja doch eben die fastenden dem Leiden des Herrn gleichförmig werden, nach Galat. 5.: „Die zu Christo gehören, haben ihr Fleisch gekreuzigt mit seinen Sünden und Begierden.“
c) I. Der Zustand im Alten Testamente wird mit der Nacht verglichen; der im Neuen Testamente mit dem Tage, nach Röm. 13.: „Die Nacht ist vorausgegangen, der Tag hat sich genaht.“ Also fastete man im Alten Testamente bis zur Nacht; nicht aber im Neuen Testamente. II. Die Zeit braucht hier nicht so genau eingehalten werden, sondern ungefähr. III. Ein so geringes Verschieben der Mahlzeit kann nicht gut jemandem schaden. Deshalb konnte die allgemeine Regel in dieser Weise festgestellt werden. Ist jemand kränklich oder fällt ihm die angegebene Zeit sonst schwer, so kann dispensiert werden.
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