Dritter Artikel. Die Tugend dessen, der zur bischöflichen Würde erkoren wird, im Verhältnisse zu der Tugend der übrigen.
a) Der zur bischöflichen Würde erhoben wird, muß besser und tugendhafter sein wie die anderen. Denn: I. Der Herr prüfte den Petrus, dem er das Hirtenamt übertrug, ob er Ihn mehr liebe wie die anderen. Dadurch aber daß jemand Gott mehr liebt, ist er besser. Also wer zur bischöflichen Würde erkoren wird, muß besser sein wie die anderen. II. Papst Symmachus sagt (cap. Vilissimus 1 Qq. 1.): „Für am tiefsten stehend muß jener erachtet werden, der durch Würde hervorragt und nicht zugleich durch Wissenschaft und Heiligkeit;“ also durch höhere Tugend. III. Im Bereiche jeder Seinsart wird das Niedrige durch das Höhere regiert; wie z. B. das Körperliche durch das Geistige und die vergänglichen irdischen Körper durch die in ihrer Substanz dem Wechsel und der Veränderung nicht unterworfenen Himmelskörper. (Aug. 3. de, Trin. c. 4.) Der Bischof aber soll andere leiten und regieren. Also muß er besser sein. Auf der anderen Seite heißt es Decr. cap. Cum dilectus, de Electione: „Es ist erfordert, daß man einen guten erwähle; man braucht nicht den besseren zu nehmen.“
b) Ich antworte, von seiten dessen, der auswählt oder vorschlägt, sei erfordert, daß der von ihm erkorene treu und pflichtgemäß die göttlichen Geheimnisse zu verwalten fähig sei und zwar zum Nutzen der Kirche, nach 1. Kor. 14.: „Um die Kirche zu erbauen, suchet nach überfließender Tugend und Wissenschaft.“ Nun wird die Verwaltung der göttlichen Geheimnisse den Menschen nicht anvertraut als eine Belohnung, welche sie für die Zukunft zu erwarten haben. Wer also einen Bischof ernennen soll, der hat nicht notwendig, den schlechthin besseren zu nehmen, was dem Grade der heiligen Liebe entsprechen würde; sondern jenen, der zur Regierung der Kirche am geeignetsten ist, der also am besten andere unterrichten und beschützen kann. Deshalb sagt Hieronymus zu Tit. 1. (et constituas): „Manche suchen nicht jene in der Kirche als Säulen aufzurichten, die se als der Kirche nützlicher erkennen; sondern die von ihnen in höherem Grade geliebt werden oder die ihnen Dienste geleistet oder für welche Höhere Fürbitte eingelegt haben und damit ich Schlimmeres übergehe, die mit Geschenken es erreichten, daß sie die Weihen erhielten.“ Letzteres gehört zum „Ansehen der Personen“, was in diesen Dingen eine schwere Sünde ist. Deshalb sagt Augustin (ep. 167.) zu Jakob. 2. (Fratres mei): „Beziehen wir diesen Unterschied im Sitzen- oder Stehenlassen auf die kirchlichen Ehren, so meinen wir, es sei keine leichte Sünde, „die Personen anzusehen“ und darin den Glauben an die Herrlichkeit Gottes einschließen zu wollen. Denn wer soll dazu schweigen, daß ein reicher zu einem Bistumssitze gewählt wird unter Verachtung des ärmeren, der aber unterrichteter und heiliger ist!“ Von seiten dessen, der erwählt wird, aber ist nicht erfordert, daß er sich für besser halte als die anderen; das wäre Stolz und Vermessenheit. Es genügt für ihn, daß er in sich selber nichts finde, wodurch die Annahme der bischöflichen Würde für ihn etwas Unerlaubtes wird. Danach hat Petrus sich in seiner Antwort nicht den anderen vorgezogen, sondern auf die Frage: „Liebst du mich mehr als die übrigen,“ schlicht geantwortet: „Herr, ich liebe Dich.“
c) I. Der Herr kannte wohl, wie geeignet Petrus kraft der ihm verliehenen Gabe zur Regierung der Kirche sei, auch mit Rücksicht auf Anderes. Und deshalb fragte Er ihn einzig wegen der Liebe. Damit zeigte Er, daß, wenn die übrigen Erfordernisse da sind, vorzüglich auf den Vorrang in der Liebe geachtet werden muß. II. Jene Stelle spricht von allem Jenem, was dem mit der betreffenden Würde bereits bekleideten obliegt. Denn er muß darauf sehen, daß er danach strebe, anderen in Heiligkeit und Wissen voranzugehen. Deshalb sagt Gregor (Past. part. 2. cap. 1.): „So hoch muß das, was der Bischof thut, erhaben sein über das Thun des Volkes, wie das Leben des Hirten sich von dem der Herde unterscheidet.“ War er aber vor der Übernahme der Bischofswürde nicht hervorragender, so ist das ihm nicht anzurechnen und darf er aus diesem Grunde nicht für verächtlich gehalten werden. III. „Die Gnaden und Dienstleistungen und Thätigkeiten sind geteilt,“ nach 1. Kor. 12. Also kann jemand zum Amte, wo es auf das Regieren ankommt, ganz gut tauglicher sein, während er in der Gnade der Heiligkeit nicht so emporragt. Anders ist es im Bereiche der natürlichen Ordnung. Da hat Jenes, was in seiner Natur höher steht, auch die Macht, das Niedrigere zu leiten.
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