Siebenter Artikel. Die Bischöfe begehen keine Todsünde, wenn sie die von ihnen verwalteten kirchlichen Güter nicht den armen zugutekommen lassen.
a) Dies wird bestritten. Denn: I. Zu Luk. 12. (Hominis cujusdam uberes fructus) sagt Ambrosius (serm 64.):„Niemand betrachte als das seinige das, was über das genügende Maß hinaus der Gemeinbesitz eingetragen; es wäre dies ebensoviel wie etwas gewaltsam Weggenommenes … und kein geringeres Verbrechen ist es, dem, der etwas hat, es zu nehmen wie den bedürftigen etwas vorzuenthalten.“ Gewaltsam aber etwas nehmen ist Todsünde. Also ist es Todsünde, wenn ein Bischos das, was er zu viel hat, nicht den armen zugute kommen läßt. II. Zu Isai. 3. sagt Hieronymus (Regina pauperum. in. domo vestra): „Die kirchlichen Güter gehören den armen.“ Behalten also die Bischöfe den Überschuß aus der Verwaltung der Kirchengüter für sich oder begünstigen sie damit verwandte und bekannte, so thun sie dies mit fremdem Gute; was natürlich Todsünde ist. III. Mit weit größerem Rechte könnte jemand aus den Kirchengütern entnehmen das, was sür ihn selber notwendig ist wie daß er das Überflüssige ansammelt. Hieronymus aber sagt (regula. monachorum. cap. de Paupertate): „Jene Kleriker können aus den Einkünften der Kirchengüter unterhalten werden, denen von seiten der Eltern und verwandten keine Güter zukommen. Können sie aber mit den elterlichen oder sonst von verwandten her überkommenen Gütern unterhalten werden und nehmen sie das an, was den armen gehört, so begehen sie einen Gottesraub und verdienen die gesetzte Strafe dafür.“ Deshalb heißt es auch 1. Tim. 5.: „Wenn ein Gläubiger Witwen zu unterhalten hat, so soll er ihnen helfen, damit die Kirche nicht beschwert sei und damit jene, die wahrhaft hilflose Witwen sind, zur Genüge haben.“ Also weit mehr sündigen die Bischöfe, wenn sie aus dem, was von den Kircheneinkünften übrig bleibt, nicht die armen unterstützen. IV. Auf der anderen Seite verteilen manche lobenswerte Bischöfe den Überschuß der Kircheneinkünfte nicht unter die armen, sondern verwenden denselben, um die Kircheneinkünfte selbst zu vergrößern.
b) Ich antworte, mit Rücksicht auf die ihnen zu eigen gehörigen Güter haben die Bischöfe das eigentliche, gänzlich freie Verfügungsrecht. Also können sie dieselben für sich behalten oder sie anderen verschenken. Nur auf Grund ungeordneter Anhänglichkeit ist da Gelegenheit zur Sünde geboten, daß sie etwa die Gebote der Liebe und Barmherzigkeit nicht erfüllen; ohne freilich deshalb zur Wiedererstattung verpflichtet zu sein. Von den kirchlichen Gütern aber sind sie nur die Verwalter. Denn, sagt Augustin (ep. 185.), „besitzen wir auf Grund eigenen Besitzes was uns zur Lebensnotdurft genügt, so sind die kirchlichen Güter in keiner Weise uns zugehörig, sondern Eigentum der armen. Nur Verwalter davon sind wir und ein Eigentum könnten wir nur auf Grund verdammenswerter Gewalt beanspruchen.“ Die kirchlichen Güter jedoch sind nicht nur für die armen da, sondern auch für die Bedürfnisse des Kultus und der dazu gehörigen Diener. Deshalb heißt es 12 Qq. 2, 28.: „Aus den Einkünften der Kirche oder aus den dargebrachten Opfern der gläubigen soll ein Teil für den Bischof beiseite gelegt; zwei Teile sollen vom betreffenden Priester für die kirchlichen Kultuskosten und für die Verteilung unter die armen unter der Gefahr selbst, daß ihm die Ausführung der seiner Weihe entsprechenden Kultushandlungen erschwert würde, verwendet; und der letzte Teil den Klerikern je nach deren Verdienst zugeteilt werden.“ Behält also der Bischof etwas für sich, was für die armen oder für den göttlichen Kult oder zum Gebrauche der Kleriker bestimmt ist, so fehlt er zweifellos gegen die Treue und den guten Glauben, welchen man in ihm voraussetzt, nach 1. Kor. 4.: „Hier nun handelt es sich bereits darum, daß unter den Verwaltern jemand als treu erfunden werde;“ und er ist zur Wiedererstattung verpflichtet. Was aber zu seinem persönlichen Gebrauche bestimmt ist, darüber gilt dasselbe, was rücksichtlich seines Privateigentums gilt; er kann da einzig durch zu große innere Anhänglichkeit sündigen, indem er der Pflicht der Liebe nicht nachkommt. Sollen jedoch die oben genannten Einkünfte erst durch den Bischof geschieden werden, so rechtfertigt er den in ihm vorausgesetzten guten Glauben nicht, wenn das, was er für den einen Teil bestimmt, ganz offenbar und bedeutend zu viel oder zu wenig im Verhältnisse zu den anderen Teilen ist; denn in solchen Dingen kann die Grenzscheide nicht so pünktlich genau gezogen werden. Es ist dies dann Todsünde, nach Matth. 24.: „Wenn der untreue Knecht in seinem Herzen sagt: Mein Herr zögert mit seinem Kommen (was auf die Verachtung des göttlichen Gerichtes hindeutet) und er fängt an, seine Mitknechte zu schlagen (was Hochmut ist), trinkt aber und ißt mit Trunkenbolden (was auf die Wollust sich bezieht); so wird der Herr kommen an einem Tage, da er ihn nicht erwartet und er wird ihn trennen (von der Gesellschaft der guten) und sein Anteil wird sein mit den Heuchlern (in der Hölle).“
c) I. Das Wort des heiligen Ambrosius bezieht sich überhaupt auf alle Güter, wenn man nicht gemäß der Pflicht der Liebe aus ihnen den armen beisteht. Wann aber das bestehende Bedürfnis ein solches ist, daß dessen Verachtung eine Todsünde einschließt, das kann nicht für die einzelnen Fälle durch allgemeine Regeln bestimmt werden; dies wird der menschlichen Klugheit überlassen, ähnlich wie andere solche einzelnen Fälle. II. Wenn ein Bischof oder ein Kleriker von dem Teile, der ihm zukommt, sich selbst etwas entziehen und den blutsverwandten oder anderen geben will, so sündigt er nicht; falls er dies unter Beobachtung des gehörigen Maßes thut; d. h. deshalb damit diese anderen nicht in Not seien, aber nicht, damit sie mehr Überfluß haben. Deshalb sagt Ambrosius (1. de offic. 30.): „Diese Freigebigkeit ist zu billigen, daß du deine blutsverwandten nicht verachtest, wenn du sie in Not weißt; du mußt aber nicht sie bereichern wollen mit dem, was du bedürftigen geben könntest.“ III. Nicht alle Einkünfte aus den Kirchengütern sind den armen zu geben, außer im Falle äußerster Notwendigkeit, wo auch die heiligen Gefäße verkauft werden können, wie Ambrosius sagt. (2. de offic. 28.) In solchem Falle würde ein Kleriker sündigen, wenn er von Eigenem leben könnte und trotzdem kirchliche Einkünfte beanspruchte. IV. Die Kirchengüter sollen den armen dienen. Besteht also kein großes Bedürsnis von seiten der armen, so kann aus dem Überflüsse der Kircheneinkünfte neues Kircheneigentum gekauft oder es kann das Geld für den Nutzen der Kirche und die Bedürfnisse der armen angesammelt werden. Besteht aber seitens der armen eine Notlage, so wäre es eine ungeregelte und überflüssige Sorge, an die Bedürfnisse der Zukunft zu denken; das verbietet in diesem Falle der Herr (Matth. 6.): „Seid nicht bekümmert um. den morgigen Tag.“
