Zweiter Artikel. Das Chrisma ist die zukömmliche Materie dieses Sakramentes.
a) Dies scheint nicht. Denn: I. Christus selber sandte den heiligen Geist, der doch in diesem Sakramente gegeben werden soll, ohne alle Salbung. Die Apostel auch legten nur die Hände auf, nach Act. 8. Also ist das Chrisma nicht die zukömmliche Materie. II. Die Firmung steht da wie die Vollendung des Sakramentes der Taufe. Also muß der Materie in der Taufe entsprechend ihre Materie ein einfaches Element sein und nicht etwas aus Öl und Balsam Gemischtes. III. Das Öl dient hier zum Salben. Dies kann aber mit jedem Öle geschehen und nicht bloß mit Olivenöl, welches hier allein gebraucht werden soll. IV. Das Wasser dient der Taufe als Materie, weil es leicht überall gefunden wird. Olivenöl aber wird nicht leicht überall gefunden und noch weniger Balsam. Also ist das Chrisma nicht die zukömmliche Materie dieses Sakramentes. Auf der anderen Seite sagt Gregor (Reg. lib. 3. ep. 9.): „DiePriester sollen sich nicht vermessen, die Kinder nach der Taufe mit dem heiligen Chrisam auf der Stirne zu salben.“ Also ist der Chrisam oder das Chrisma die zukömmliche Materie der Firmung.
b) Ich antworte: In diesem Sakramente wird die Fülle des heiligen Geistes verliehen, damit der neugetaufte Christ geistige Festigkeit und Kraft erhalte, welche dem vollkräftigen Alter im Bereiche des körperlichen Lebens entspricht. In diesem Alter aber fängt der Mensch bereits an, seine Thätigkeiten mit Rücksichtnahme auf andere zu thun, wahrend er vorher gleichsam nur sich selber lebte. Die Gnade des heiligen Geistes nun wird gekennzeichnet im Öle, weshalb es von Christo heißt, „Er sei gesalbt worden mit dem Öle der Freude“ (Ps. 44.) wegen der Fülle des heiligen Geistes, die Er hatte.“ Deshalb geziemte sich für dieses Sakrament als Materie das Öl. Dazu wird etwas Balsam gemischt wegen des Wohlduftes, der auf andere angenehm einwirkt; weshalb der Apostel sagt (2. Kor. 2.): „Wir sind ein guter Wohlduft Christi Gott gegenüber.“ Denn der Balsam hat vor allen anderen ähnlichen Dingen einen vorzüglichen Wohlgeruch und verleiht zugleich Unvergänglichkeit gegen Fäulnis, nach Ekkli. 24.: „Wie ungemischter Balsam mein Duft.“
c) I. Christus verlieh kraft seiner Vollgemalt den Aposteln die Wirkung (res) dieses Sakramentes ohne das Sakrament; weil sie „die Erstlinge des heiligen Geistes empfingen“ (Röm. 8.). Nichtsdestoweniger war dabei etwas, was dem Sakramente der Firmung rücksichtlich der äußeren Zeichen entsprach. Daß nämlich über die Apostel der heilige Geist herabstieg in der sichtbaren Gestalt von Feuer, hat Beziehung zum Öl; nur hat das Feuer thätig wirksame Kraft und das Öl leidend empfangene Kraft, indem es das Feuer nährt und unterhält. Und dies geschah in höchst zukömmlicher Weise. Denn die Apostel erhielten den heiligen Geist, damit sie die Gnade allen anderen mitteilten. In der Figur von Zungen zudem stieg der heilige Geist auf die Apostel herab. Dies bedeutet dasselbe wie der Balsam; nur teilt die Zunge anderen mit vermittelst der Sprache, der Balsam vermittelst des Wohlduftes. Denn die Apostel wurden vom heiligen Geiste erfüllt, um Lehrer der Völker zu sein; die anderen gläubigen, um zu thun das, was der Erbauung der gläubigen dient. Ähnlich auch als die Apostel die Hände auflegten, stieg der heilige Geist herab in sinnlich wahrnehmbaren Zeichen, wie Er über die Apostel im Beginne herabgestiegen war. Danach sagt Petrus (Act. 11.): „Als ich angefangen hatte zu sprechen, stieg der Geist in sie hinab wie auch im Anfange in uns.“ Es waren also da andere sinnliche Zeichen nicht vonnöten, wo wunderbarerweise solche von Gott selbst dargeboten wurden. Jedoch bedienten sich die Apostel, bestanden solch wunderbare Zeichen nicht, gemeinhin des Chrisams im Spenden dieses Sakramentes. Denn Dionysius sagt (4. de eccl. hier.): „Es besteht eine die Vollendung gebende Thätigkeit, welche unsere Führer (die Apostel) Chrisam nannten.“ II. Die Taufe erzeugt einfach und ohne weiteres wieder zu geistigem Leben und deshalb gebührt sich bei ihr ein einfaches Element. Dieses Sakrament aber dient dazu, die Fülle des Geistes zu empfangen, dessen Thätigkeit eine vielgestaltete ist, nach Sap. 7.: „In ihr ist der heilige Geist des Verständnisses, der einzige, der vielfache;“ und 1. Kor. 12.: „Zuteilungen verschiedener Gnaden bestehen, aber es ist ein und derselbe Geist.“ Deshalb ist es zukömmlich, daß die Materie dieses Sakramentes eine zusammengesetzte sei. III. Die Eigenheiten des Öles, durch die der heilige Geist bezeichnet wird, finden sich in höherem Grade im Olivenöl wie in jedem anderen; wird doch der Olivenbaum selber, der immer grünt, als Bild gebraucht für die Thatkraft und Barmherzigkeit des heiligen Geistes. Dieses Öl ist auch das eigentliche Öl und ist sehr im Gebrauch da, wo es gewonnen wird. Anderes Öl heißt nur so auf Grund einer Ähnlichkeit mit diesem und ist im Gebrauche, einzig um das Olivenöl zu ersetzen. Dieses letztere Öl allein also wird genommen als Materie dieses Sakramentes und zu einigen anderen Sakramenten. IV. Die Taufe ist ein Sakrament von höchster Notwendigkeit und deshalb hat es eine Materie, die überall sich findet. Die Materie dieses Sakramentes aber, das nicht von so hoher Notwendigkeit ist, kann immerhin ohne Schwierigkeit überallhin auf Erden gebracht werden.
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