Achter Artikel. Dieses Sakrament soll von allen, empfangen werden.
a) Dies scheint nicht. Denn: I. Dieses Sakrament hat ein gewisses Hervorragen, eine Vollendung zum Zwecke. Nicht alle aber können hervorragen. II. Dieses Sakrament verleiht geistige Vollkraft. Also darf es mindestens Kindern nicht gegeben werden. IV. Nach dem Ausdrucke des Melchiades (l. c.) „werden wir durch die Firmung gestärkt zum Kampfe.“ Kämpfen aber kommt dem schwachen Geschlechte, nämlich den Frauen, nicht zu. V. Melchiades schreibt noch weiter: „Obgleich den bald sterbenden die Gnade der Wiedergeburt genügt, so ist doch den länger lebenden der Beistand der Firmung notwendig; denn die Firmung waffnet und erleuchtet jene, die für die Kämpfe und die Schlachten dieser Welt vorbehalten sind. Wer aber nach der Taufe mit der dadurch erlangten Unschuld unbefleckt stirbt, der wird befestigt durch den Tod selber, da er ja nach dem Tode nicht mehr sündigen kann.“ Also darf den gleich sterbenden dieses Sakrament nicht gegeben werden; und sonach ist es nicht für alle. Auf der anderen Seite „erfüllte der heilige Geist bei seinem Herankommen das ganze Haus“ (Act. 2, 2.) d. h. die ganze Kirche; und „alle wurden erfüllt vom heiligen Geiste.“ Dieses Sakrament aber soll gerade eine solche Fülle geben.
b) Ich antworte, dieses Sakrament werde gegeben, damit der Mensch geistigerweise zum vollendeten Alter komme. Dies liegt aber in der Absicht der Natur, daß jeder, welcher körperlicherweise geboren ist, zum vollkräftigen Alter komme, wiewohl dies manchmal gehindert wird auf Grund der Vergänglichkeit des Körpers, den der Tod fortreißt. Weit mehr aber noch liegt es im Willen Gottes, Alles zur Vollendung zu führen, da von Ihm die Natur die ihr eigene Absicht mitgeteilt erhalten hat. Deshalb heißt es Deut. 32.: „Die Werke Gottes sind vollendet.“ Die Seele nun, von deren geistiger Wiedergeburt und geistiger Vollkraft hier die Rede ist, hat Unsterblichkeit; sie kann ebensogut zur Zeit des Greisenalters geistig wiedergeboren werden, wie zur Zeit des Kindesalters geistige Vollkraft haben; denn dergleichen Zeitepochen schließen keine Voreingenommenheit ein mit Rücksicht auf die Seele. Also ist dieses Sakrament allen zu geben.
c) I. Dieses Sakrament schließt etwas Hervorragendes ein; nicht aber mit Rücksicht auf den Mitmenschen, sondern mit Rücksicht auf die eigene Person, so daß der Mensch als ein vollendeter hervorragt über sich selbst als Kind betrachtet. II. Auch im Kindesalter kann jemand geistige Vollkommenheit besitzen, nach Sap. 4.: „Das Greisenalter ist ehrwürdig; nicht aber jenes, welches nur nach der Zahl der Jahre gemessen wird.“ Viele haben ja, noch selbst im Kindesalter, die Kraft des heiligen Geistes erhalten, daß sie ihr Blut vergossen im Kampfe für Christum. III. Chrysostomus antwortet (hom. de Maccab.): „In den Kämpfen der Welt wird ein gewisses Alter und eine gewisse Gestalt und die Würde des Geschlechts und des Standes erfordert und deshalb wird den Sklaven und Frauen, den Greisen und Kindern der Zutritt zu denselben untersagt. In „den Kämpfen um den Himmel aber ist der Kampfplatz weit offen jedem Alter, jeder Person, jedem Stande ohne Unterschied.“ Und (de militia spiritu.): „Bei Gott kämpft auch das weibliche Geschlecht. Denn viele Frauen haben mit männlichem Geiste den geistigen Kampfplatz betreten. Manche haben in innerer Stärke beim Martyrium es den Männern gleich gethan; und manche haben mehr Kraft bewiesen wie die Männer.“ IV. Die Seele ist unsterblich; und deshalb ist auch den sterbenden dieses Sakrament zu spenden, damit sie in der Auferstehung „vollendet erscheinen im Maße des Alters der Vollendung Christi“ (Ephes. 4.). Deshalb sagt Hugo von St. Viktor (2. de sacr. 7. 3.): „Durchaus gefährlichwäre es, wollte jemand dieses Leben ohne Firmung verlassen;“ nicht als ob er verdammt würde (es sei denn daß er die Firmung verachtet hätte), sondern weil er eine Verminderung der Vollendung zu tragen haben würde. Deshalb empfangen auch die gefirmten Kinder mehr Herrlichkeit, wie sie hier mehr Gnade haben. Jene Stelle wird dahin verstanden, daß den sterbenden das Sakrament der Firmung nicht notwendig ist aus diesem Grunde, als ob die Gefahr kämpfen zu müssen etwa gegenwärtig wäre.
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