Zweiter Artikel. Das Befehlen ist nicht den Tieren eigen.
a) Das Gegenteil erhellt aus Folgendem: I. Nach Avicenna ist jene Kraft, welche das Bewegen befiehlt, die Begehrkraft; und die ausführende Gewalt ist in den Muskeln und Nerven; — dies Alles aber findet sich auch in den Tieren. II. Dem Wesen des Sklaven entspricht es, daß ihm befohlen werde. Der Körper aber steht zur Seele im selben Verhältnisse wie der Sklave zum Herrn. (I. Polit.) Also befiehlt auch in den Tieren die Seele dem Körper. III. Das Befehlen giebt den Anstoß zur Thätigkeit. Ein solcher Anstoß aber findet sich auch in den Tieren, wie Damascenus (2 de orth. fide 22.) sagt. Auf der anderen Seite ist Befehlen eine Thätigkeit der Vernunft; und eine solche haben die Tiere nicht.
b) Ich antworte; Befehlen sei eben dasselbe wie eine geordnete Beziehung herstellen mit einer gewissen bewegenden Hinleitung. Ordnen aber ist eigen allein der Vernunft.
c) I. Die Begehrkraft befiehlt die Bewegung, insoweit sie in Thätigkeit setzt die befehlende Vernunft. In den Tieren ist also wohl eine bewegende Kraft; nicht aber eine befehlende. II. In den Tieren ist wohl ein Körper, der gehorchen, aber keine Seele, die befehlen könnte; da keine ordnende Fähigkeit in selben vorhanden ist. Also nicht das Verhältnis des Befehlenden und Gehorchenden ist da vorhanden; sondern nur das des Bewegenden und In-Bewegung-Gesetzten. III. Die Menschen geben kraft ihrer Vernunft den Anstoß zur Thätigkeit. In den Tieren aber findet sich dieser Anstoß nur gemäß und aufGrund der treibenden Kraft, des Instinktes nämlich ihrer Natur. Sogleich wie das Unzukömmliche oder Zukömmliche erfaßt ist, wenden sie sich zur Flucht oder zur Verfolgung desselben. Von der Natur her, also von einem außerhalb ihrer (der Tiere selbst) Bewegenden, der die Natur mit ihrer bestimmten Neigung zu etwas Beschränktem hin gebildet, werden sie in Thätigkeit gesetzt; nicht sie selbst bewegen sich von sich aus zu etwas hin.
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