Dritter Artikel. Das Befehlen geht dem Gebrauchen voran.
a) Das Umgekehrte scheint der Fall zu sein. Denn: I. Das Gebrauchen ist eine Thätigkeit des Willens; die wird aber doch von seiten der Vernunft vorausgesetzt. II. Das Befehlen richtet sich auf die Hinleitung zum Zweckdienlichen. Das Gebrauchen aber beschäftigt sich eben mit dem Zweckdienlichen. Also ist letzteres früher wie das Befehlen. III. Der Wille gebraucht die anderen Vermögen, indem er sie in Bewegung und Thätigkeit setzt. Beim Befehlen aber wird die Vernunft vom Willen in Thätigkeit gesetzt. Also ist das Befehlen ein gewisses Gebrauchen. Da nun das, was zwischen zwei Dingen gemeinsam ist, immer früher ist als das was sie unterscheidet und einem jeden als einem besonderen zueignet; wie z. B. das Farbigsein früher ist in der Auffassung der Vernunft wie das Weiß- oder Schwarzsein, so ist das Gebrauchen, was dem Willen und der Vernunft gemeinsam ist, früher wie das Befehlen. Auf der anderen Seite fagt Damascenus (2 de orth. fide 22.): „Der Anstoß zum Thätigsein geht dem Gebrauchen voraus.“ Dieser Anstoß aber vollzieht sich kraft des Befehlens.
b) Ich antworte, daß das Gebrauchen des Zweckdienlichen, soweit es innerhalb der Vernunft sich findet, die es auf den Zweck bezieht und mit demselben vergleicht, dem Auswählen vorhergeht (Kap. 16, Art. 4); und somit auch dem Befehlen. Kommt es aber auf die ausführenden Vermögen an, so folgt das Gebrauchen dem Befehlen. Denn das Gebrauchen von seiten dessen, der gebraucht, ist verbunden mit der Thätigkeit, vermittelst deren jemand gebraucht. Offenbar nämlich gebraucht jemand nicht den Stock, ehe er mit dem Stocke irgend etwas thut. Das Befehlen aber ist nicht zugleich mit der Thätigkeit des Vermögens, dem befohlen wird; vielmehr ist der Natur der ganzen Sachlage nach das Befehlen früher als wie demselben gehorcht wird und bisweilen ist dies auch der Zeit nach der Fall. Also geht das Befehlen dem Gebrauchen vorher.
c) I. Nicht jede Thätigkeit des Willens geht voran dieser besonderen Thätigkeit der Vernunft: dem Befehlen. Vielmehr geht eine gewisse Thätigkeit des Willens diesem Vernunftakte voran, nämlich die Auswahl; und eine andere Thätigkeit des Willens, das Gebrauchen, folgt. Denn nachdem das Beratschlagen zu einem bestimmten Ende gelangt ist nach dem Urteile der Vernunft, macht der Wille die Wahl; und nach der Wahl befiehlt die Vernunft dem betreffenden ausführenden Vermögen. Und dann erst fängt der Wille des Betreffenden an zu gebrauchen, indem er den Befehl der Vernunft ausführt. Und zwar ist es bisweilen der Wille eines anderen.wie wenn jemand einem anderen etwas befiehlt; und bisweilen ist es der Wille des Befehlenden selbst, wenn nämlich jemand sich selber befiehlt. II. Wie die Thätigkeiten bestimmend sind für die Vermögen und nach dieser Seite hin ihnen vorausgehen; so verhält es sich mit den Gegenständen rücksichtlich der Thätigkeiten, deren Gegenstände sie sind.“ Der Gegenstand des Gebrauchens aber ist das Zweckdienliche. Da also das Befehlen zum Zwecke hin ordnet, so folgt daraus vielmehr, daß das Gebrauchen nach dem Befehlen kommt; daß nämlich etwas als zweckdienlich zuerst hingestellt und so Gegenstand des Gebrauchens wird. III. Die Thätigkeiten des Willens und der Vernunft werden wechselseitig aufeinander bezogen. Wie also der Akt des Willens, welcher die Vernunft gebraucht, um etwas zu befehlen, dem Befehlen selbst vorangeht; so geht auch diesem Gebrauchen der Vernunft von seiten des Willens voraus ein Befehlen von seiten der Vernunft.
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