18. Kap. Die Taufe soll keinem Täuflinge erteilt werden ohne vorherige Prüfung. Tertullians Ansicht über die Kindertaufe.
Im übrigen wissen die, deren Amt es ist, sehr wohl, daß man die Taufe niemand vorschnell und unbedacht erteilen darf. Das Gebot: „Gib jedem, der dich darum bittet“1 hat seine besondere Beziehung und geht auf das Almosen. Bei der Taufe muß man dagegen den Ausspruch beachten: „Gebet das Heilige nicht den S. 296Hunden und werfet eure Perlen nicht den Schweinen vor“2, und dann: „Leget niemand vorschnell die Hände auf, damit ihr nicht fremder Sünden teilhaftig werdet“3. Wenn Philippus nun doch den Verschnittenen so leichthin taufte, so möge man bedenken, daß dort eine offenbare und unverkennbare Herablassung des Herrn im Spiele war4. Der Geist hatte dem Philippus vorgeschrieben, jenen Weg einzuschlagen; der Verschnittene seinerseits wurde auch nicht müßig angetroffen und nicht als ein solcher, der urplötzlich die Taufe begehrt, sondern zum Tempel gereist, um zu beten, in die Hl. Schrift versenkt - so mußte der gefunden werden, welchem Gott aus freier Gnade einen Apostel schickte. Letzterem befahl wiederum der Hl. Geist, sich dem Wagen des Verschnittenen zuzugesellen, die Schriftstelle bot sich dem Glauben desselben zur rechten Zeit dar, auf sein Bitten wird auf den Wagen gestiegen, der Herr wird ihm gezeigt, der Glaube zögert nicht, auf das Wasser braucht man nicht zu warten, und der Apostel wird nach verrichtetem Geschäft entrückt. Jedoch, in der Tat, auch Paulus ist mit Eilfertigkeit getauft worden. Denn sein Wirt Simon hatte schnell erkannt, daß er zu einem Gefäße der Auserwählung bestimmt sei5.
Die herablassende Gnade Gottes schickt ihre Vorzeichen und Vorbereitungen voraus; jede Bitte aber kann täuschen und getäuscht werden. Und so ist denn je nach dem Zustande einer Person, nach ihrer Disposition und auch nach ihrem Alter ein Hinausschieben der Taufe ersprießlicher, vornehmlich aber hinsichtlich der Kinder. Denn was ist es nötig, auch die Paten sogar noch einer Gefahr auszusetzen, da es ja möglich ist, daß dieselben auch ihrerseits ihre Versprechungen wegen S. 297Hinsterbens nicht halten, oder andererseits beim Hervortreten einer schlechten Geistesrichtung die Betrogenen sind? Der Herr hat freilich gesagt: „Wehret ihnen nicht, zu mir zu kommen“6. Sie sollen demnach auch kommen, wenn sie herangewachsen sind; sie sollen kommen, wenn sie gelernt haben, wenn sie darüber belehrt sind, wohin sie gehen sollen: sie mögen Christen werden, sobald sie imstande sind, Christum zu kennen. Aus welchem Grunde hat das Alter der Unschuld es so eilig mit der Nachlassung der Sünden? Will man etwa in zeitlichen Dingen mit mehr Vorsicht verfahren und die göttlichen Güter einem anvertrauen, dem man irdische noch nicht anvertraut? Sie mögen lernen um ihr Seelenheil bitten, damit es den Anschein gewinne, daß man nur einem Bittenden gegeben habe7. Aus keiner geringeren Ursache müssen auch die Unverheirateten hingehalten werden. Denn ihnen stehen Versuchungen bevor, den Jungfrauen wegen ihrer Geschlechtsreife, wie den Witwen in Hinsicht ihres ledigen Standes, bis sie entweder heiraten oder für die Enthaltsamkeit fest genug sind. Wenn manche einsähen, daß die Taufe eine schwere Bürde ist, so würden sie sich vor deren Erteilung mehr fürchten, als vor dem Aufschub derselben. Ein vollkommener Glaube ist seines Heiles sicher.
Luk. 6,30. ↩
Matth. 7,6. ↩
1 Tim. 5,22. ↩
Tertullian hat mit seiner Erklärung nicht das Richtige getroffen. daß Philippus den Kämmerer sofort taufte, erklärt sich daraus, daß derselbe als Jude keiner religiösen Belehrung bedurfte, wie die Heiden sie nötig haben. ↩
Die Apostelgeschichte 9,15 gibt den Namen Simon freilich nicht. ↩
Matth. 19,14. ↩
Mit Anspielung an obige Stelle Luk. 6,30. ↩
