3.
Denn wie könnte er wünschen, wegen seiner Abkunft gelobt zu werden, da er jeden weltlichen Adel verabscheute und durch die Ausübung der besten Werke ein Kind Gottes zu werden trachtete, oder wie wegen seines Vaterlandes verherrlicht zu werden, da er die ganze Erde als ein ihm fremdes Land ansah, und von der materiellen Schöpfung als einem Feinde wegen der im Himmel hinterlegten ewigen Seligkeit sich abwendete? Oder wie könnte er weiter an dem Ruhme der Ahnen oder Eltern sich freuen, da er die leibliche Sinnlichkeit geradezu mit Füßen trat, und von der Hülle der Seele selbst, das heißt, dem elenden Fleische, sich beschwert fühlte, da er es als ein Hinderniß im raschen Laufe der Tugend ansah? Wie vollends könnte er wünschen, wegen der Zunahme und der Lebensweise des Körpers, oder wegen Geschicklichkeit oder Kunst, oder sonst einer verächtlichen Beschäftigung im Leben gelobt zu werden, da er von der ersten Jugend an im Studium der göttlichen Schriften seine Nahrung und sein Wachsthum fand, getränkt von den ewig fließenden Strömen der Gnade und, um mit dem Apostel zu sprechen, zum Maße des Alters S. 467 Christi gelangte?1 Da wir also wissen, daß unser großer Vater mit solchen lächerlichen Lobsprüchen nicht gerne verherrlicht wird, wie die Fleischlichgesinnten, so wollen wir versuchen, ihm wegen seiner eigenen Mühen wenigstens mäßiges Lob zu spenden. Denn der Rede ist es nicht gegeben, auch auf Das sich auszudehnen, was unser Vermögen übersteigt. Damit also weder unsere Sehnsucht durch Sprachlosigkeit aufgehalten werde, noch auch hinwiederum wir einen den Vätern fremden Pfad wandeln und vom königlichen Wege abirren, indem wir auf Seitenwegen uns herumtreiben, so wollen wir unserer Rede das rechte Maß anzupassen suchen.
Worin besteht an ihm nun Das, woraus wir sein Lob zu weben beschlossen haben? In That und Betrachtung, in deren Gefolge die Schaar der einzelnen Tugenden sich befindet, Glaube, Hoffnung, Liebe, Frömmigkeit gegen Gott, Studium der göttlichen Schriften, Heiligung der Seele und des Leibes, beständige Thränen, einsames Leben, die Zurückziehung von einem Ort zum andern, die Flucht vor den Bösen, die stets fließende Lehre, ununterbrochenes Gebet, Fasten und Wachen ohne Maß, Schlafen auf dem Boden und unbeschreiblich strenges Leben, Besitzlosigkeit und Demuth bis zum höchsten Grade, eine Barmherzigkeit, die ihn über die menschliche Natur erhebt, begeisterter Eifer gegen die wüthenden Feinde der Frömmigkeit, und um es kurz zu sagen, Alles, was den Menschen nach Gott zu bilden pflegt. Mit solchen Lobsprüchen wird unser Vater verherrlicht, und er erkennt das Gesprochene und weiß, daß diese die ihm eigenen Vorzüge sind, und findet Gefallen an den Reden, nicht weil sie ihm, sondern weil sie uns Nutzen bringen. Denn die bloße Erwähnung hievon wird für die Strebsamen eine Veranlassung zur Tugend. Und dieß haben wir nicht anderswoher, sondern aus Dem geschöpft, was er S. 468 selbst in Betreff seiner Person in seinen Schriften niedergelegt hat. Aus ihnen haben wir wie die gepriesene Biene aus vielen Blumen das Brauchbare gesammelt und diesen geistigen Honig bereitet. Und Ephräm wird uns wegen unseres Unternehmens gewiß nicht grollen. Denn er fürchtet nicht mehr den bösen Geist, welcher noch am Ende der Kämpfe Viele zum Falle bringt, und nachdem er einmal in die ruhigen Häfen des Unkörperlichen gelangt ist, ist er dem Sturme und der Brandung entronnen. Wohlan nun, wollen wir bei den einzelnen aufgezählten Punkten mit unserer Betrachtung etwas verweilen, und den Versammelten zeigen, wie der außerordentliche Mann beschaffen war, und zu welcher Höhe geistigen Aufschwungs er emporgestiegen ist.
Er hielt also fest am rechten Glauben und irrte nicht etwa weit von der Gottesfurcht ab, wie wir aus seinen Schriften und seinem Ansehen in der Kirche abnehmen können. Denn in gleicher Weise verabscheute er die vernunftwidrige Vermengung des Sabellius2 und die wahnsinnige Theilung des Arius.3 Er stand innerhalb der Grenzen der Frömmigkeit, indem er die eine unvermengte und hochheilige Dreiheit der Zahl nach theilte, der Substanz nach vereinigte, damit er weder, wie die Juden, den Vorwurf einer armen Gottheit erntete, noch wie die Heiden dem Wahne eines ganzen Volkes von Göttern verfiele. Denn es ist erwiesen, daß Dieses Jenen begegnet, die in Betreff der unbegreiflichen Dreiheit in Irrthum verfallen. Die vernunftwidrige Lehre des Apollinarius4 aber verwarf er so sehr, daß er seine ganze Kraft daran setzte, sie aus jeder christlichen Seele zu verbannen.
