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S. 469 Auch den Anomiern1 stopfte er mit vielen Vernunftbeweisen und Stellen aus der Schrift den zügellosen Mund und hinterließ uns die größte Sicherheit in seinen göttlichen Aussprüchen. Will man aber die Niederlage des übermüthigen Novatus2 wahrnehmen, so möge man im gelehrten Streite Ephräms den Fall des Gegners schauen, wobei man finden wird, daß die Überlegenheit unseres Lehrers im Zusammenstoß der Rede so groß war, als die eines geübten stets siegreichen Kämpfers über ein noch schwaches ohnmächtiges Kind. Nicht allein aber widerlegte er die durch den Säemann der Bosheit wie Unkraut in jener Zeit auftauchenden oder früher aufgetauchten Häresien durch das rechte Wort des Glaubens, sondern er sah auch mit prophetischem Blicke jene voraus, die später emporschießen sollten, und brachte sie im Voraus zum Falle. Mit diesen Beweisen sind alle seine Schriften und Dichtungen angefüllt. So irrte der Sohn der Wahrheit nie von der Wahrheit ab. Seine Hoffnung setzte er auf Gott allein, von dem den Würdigen die Erfüllung der hinterlegten Hoffnungen zu Theil wird. Denn er führte die Worte des Psalmes an und übte sie in Wort und That: „Auf ihn hat meine Seele gehofft, und es wurde mir Hilfe zu Theil.“3 Deßhalb wird Den, welcher auf den Herrn hofft, Barmherzigkeit umgeben.4 Und das Vertrauen auf den Herrn macht ihn dem Berge Sion gleich.5 Aber auch die höchste Seligkeit gewährt es Dem, der es besitzt, wie man aus den Propheten selbst erfahren kann, da David sagt: „Selig der Mann, dessen Hoffnung der Name des Herrn ist,[“]6 Jeremias aber: „Gepriesen sei der Mensch, S. 470 der auf den Herrn vertraut, und dessen Hoffnung der Herr sein wird, und er wird sein wie der Baum, der am Wasser gedeiht“7 und in der Feuchtigkeit seine Wurzeln ausdehnen wird, und Isaias: „Der Herr, unser König, der Herr, unser Heiland, er wird uns retten.8 Sieh, mein Gott, mein Heiland ist der Herr. Auf ihn werde ich mein Vertrauen setzen und werde guten Muthes sein,“9 und da der selige Paulus uns ermahnt und sagt: „Wir halten fest an der Verheissung der Hoffnung, denn treu ist, der uns die Verheissung gegeben hat.“10
Von dieser hinterlegten göttlichen Hoffnung genährt, verachtete er alles Weltliche und sehnte sich nach jedem ewigen Ruhme. Die Liebe gegen Gott und den Nächsten beobachtete er mit solchem Eifer, daß er, als er aus dem Leben schied, ― denn es ist gut, die Worte des in Gott versenkten Vaters selbst anzuführen, die besser als jeder andere Beweis sind, ― sich in folgender Weise ausdrückte: „In keiner Weise schmähte ich im ganzen Leben den Herrn, und keine unverständige Rede kam von meinen Lippen. In meinem ganzen Leben verwünschte ich Niemanden, überhaupt zankte ich mit keinem Gläubigen.“11 O selige Zunge, die ohne Zagen in solche Worte ausbrach, die für die Engel allein vorzugsweise sich ziemen, weil ihr Leben der Materie und der Veränderung ferne steht, uns aber, die wir dem Fleisch unterworfen sind, fremd und übernatürlich und schwer ausführbar erscheinen!
Man mag große Mühe auf die Erforschung des Lebens großer Tugendhelden verwenden, man wird doch nirgends so einen Ausdruck reiner unbefleckter Liebe aufzufinden und nachzuweisen vermögen, wie bei unserm Vater. Wenn S. 471 also die Liebe größer ist als alle Tugenden, diese aber der selige Ephräm wie kein anderer von den Vätern übte, Jeder aber nach seinen Werken empfangen wird, so wollen wir die Folgerung hieraus Andern überlassen, damit wir nicht Väter mit Vätern zu vergleichen scheinen. Denn nicht der Vergleichung wegen haben wir das Gesagte angeführt, sondern nur, um der Menge darzulegen, daß unser Lehrer Ephräm oder vielmehr der Lehrer der ganzen Erde auf dem höchsten Gipfel der geistigen Leiter der Tugenden angelangt sei.
Eigentlich Anomöern, der ausgeprägtesten Sekte der Arianer, die dem Sohne sogar die Ähnlichkeit mit dem Vater absprach. ↩
Siehe „ausgewählte Schriften des hl. Athanasius“ I. B. S. 213 A. 5. ↩
Ps. 27, 7 [hebr. Ps. 28, 7]. ↩
Ebd. [Ps.] 31, 10 [hebr. Ps. 32, 10]. ↩
Ebd. [Ps.] 124, 1 [hebr. Ps. 125, 1]. ↩
Ebd. [Ps.] 39, 5 [hebr. Ps. 40, 5]. ↩
Jer. 17, 7. 8; Ps. 1, 3 [hebr. Ps. 1, 3]. ↩
Is. 33, 22. ↩
Isai. 12, 2. ↩
Hebr. 10, 23. ↩
Aus dem Testamente Ephräms. ↩
