7.
Als er nun, wie erzählt wird, bei der Stadt angekommen war und bereits in die Stadt eintrat, begegnete er statt einem weisen Manne, dem er zu begegnen wünschte, einer Buhlerin. Da also der Anblick seiner Erwartung nicht entsprach, war ihm die Begegnung lästig, und nachdem er daher auf die Buhlerin geblickt hatte, wendete er sich, weil in seiner Hoffnung getäuscht, wieder ab. Diese aber, als sie sah, daß er sie anblicke, blickte ihn gleichfalls an und betrachtete ihn genau. Da sprach der Weise zu ihr: Sage mir, Weib, warum siehst du mich so genau an? Diese aber erwiderte rasch: Mit Fug und Recht. Denn ich bin aus dir, dem Manne, genommen. Du aber wirf deinen Blick nicht nach mir, sondern auf die Erde, von der du genommen bist. Als der Weise diese unerwartete Entgegnung vernommen hatte, erklärte er einen großen Gewinn erlangt zu haben, und er verherrlichte Gottes unbegreifliche Macht, der sogar Das, was wir hoffen, durch das Unerwartete uns gewährt.
Von da ging er, vom heiligen Geiste geleitet, nach Cäsarea in Kappadozien, und sah den großen Basilius, den Mund der Kirche, die goldene Nachtigall der Gelehrsamkeit. Als ihn der Greis sah, begann er ihn mit vielen lobpreisenden Worten zu ehren.1 Denn mit dem durchdringenden S. 476 Auge der Seele sah er eine glänzende Taube auf seiner rechten Schulter sitzen, die ihm Reden der Weisheit mittheilte, und sah ihn diese dem Volke vortragen. Von der ihn belehrenden und von ihm verehrten Taube eingeweiht, nahm er seine Ankunft wahr und erkannte, daß es Ephräm der Syrer sei. Und so wurden Beide auf einige Zeit einer geistigen Lebensgemeinschaft gewürdigt, und für Ephräm brachte die Mühsal keinen Nachtheil.
Die natürliche Unschuld seines Lebens zeigte ihm, wie er den Übeln entgehen könnte, indem sie ihn das Gute vorhersehen und das Schlimme abwehren und jenen Ansichten sich anschließen lehrte, die vernünftig, rein und zur Auswahl des Guten nützlich sind, die vorzugsweise für den Lehrvortrag sich eignen.2 Denn in reichlichem Maße hatte Christus dem göttlichen Greise das Talent der Rede verliehen, und dieses in den Herzen Vieler wie bei einer Bank anzulegen, mußte er sich vor allen Übrigen verpflichtet fühlen. Und er sagt dieß offenbar von sich selbst, daß er, nachdem er soeben aus dem zarten Kindesalter getreten war, ein geheimnißvolles Gesicht hatte, wie an seiner Zunge aus ihm ein sehr fruchtbarer Weinstock hervorkam und so groß wurde, daß er die Erde erfüllte und alle Vögel des Himmels kamen, um von ihm sich mit Nahrung zu sättigen, der Weinstock selbst aber, obschon er geplündert wurde und alle Vögel aufnahm, nur größeren Reichthum an Trauben zeigte. Dieß bezeugte damals auch ein Anderer von ihm, ein ganz scharfsinniger Mann, indem er sagte, er habe eine S. 477 Schaar von Engeln gesehen, die vom Himmel herabstieg und ein Buch in den Händen trug, das von innen und aussen beschrieben war. Es sagte aber jene erscheinende göttliche Schaar zu sich selbst: Wem müssen wir wohl dieses Buch übergeben? Von ihnen gaben nun die Einen diesem, die Anderen jenem Manne und Andere wieder anderen ausgezeichneten Männern jener Zeit den Vorzug. Hierauf hätten sie, nachdem sie dieselben durchgemustert, insgesammt gesagt: Das sind in der That heilige Diener Gottes, aber es kann ihnen doch dieses Buch nicht übergeben werden.
Ephräm sagt in seiner Lobrede auf Basilius, daß er bei dem Anblick des Letzteren Gott gepriesen habe. ↩
Ὅσοι μάλιστα πρὸς τὴν τῆς διδασκαλίας ἐμποδίζουσι χρείαν [Hosoi malista pros tēn tēs didaskalias empodizousi chreian]. Voß übersetzt, wie wenn es hieße: οὺκ ἐμποδίζουσι [ouk empodizousi]. Befriedigend finde ich eine solche Conjektur nicht. Denn man erwartet, daß Ephräm Nützliches, nicht bloß Unschädliches gewählt habe. Am passendsten fände ich, für ἐμποδίζουσι [empodizousi] zu lesen εἰσφέρουσι [eispherousi] oder vielleicht, um das Verderbniß leichter zu erklären: ἐμφοροῦσι [emphorousi]. ↩
