4.
„Und Gott sprach: Es werde eine Feste inmitten des Wassers, und sie scheide in der Mitte Wasser vom Wasser. Und Gott machte die Feste; und Gott machte eine Scheide mitten zwischen dem Wasser, das unter der Feste war, und mitten zwischen dem Wasser, das über der Feste war1.” Doch bevor wir uns an den Sinn der Schrift machen, wollen wir es versuchen, die gegnerischen Einwände zu beseitigen. Sie fragen uns nämlich: Wenn der Körper der Feste kugelförmig ist, wie der Augenschein zeigt, das Wasser aber flüssig und von den Höhen auf allen Seiten herabfließt, wie hätte es sich denn auf der gewölbten Peripherie des Firmamentes halten können? Was sollen wir darauf antworten? Zunächst folgendes: Erscheint uns etwas nach der inneren Wölbung rund, so muß es an seiner äußeren Oberfläche nicht auch schon kugelförmig, ganz genau abgerundet und ringsum geglättet sein; denn wir sehen ja auch Bäder mit steinernen Gewölben und höhlenartige Gebäude, die, von innen besehen, die Gestalt eines Halbkreises haben, oben auf dem Dache aber oft eine ebene Oberfläche haben. Deshalb sollen sie darob weder sich selbst noch uns Schwierigkeiten machen, als könnten, wir nicht das Wasser oben festhalten.
Nun dürfte es aber Zeit sein, zu sagen, was die Natur der Feste ist, und warum ihr befohlen ward, inmitten des Wassers zu stehen. Die Bezeichnung „Feste” (Firmament)2 ist der Schrift geläufig bei Dingen, die durch S. 47 Stärke sich auszeichnen, so wenn sie sagt: „Der Herr ist meine Feste und meine Zuflucht3”, und „Ich habe festgestellt ihre Säulen4”, sodann: „Lobet ihn in der Feste seiner Kraft5!” Die Außenstehenden nennen das einen festen Körper, was sozusagen dicht und voll ist; im Gegensatz dazu6 spricht man von einem mathematischen7 Körper. Der mathematische Körper besteht nur in Dimensionen, denen der Breite, Tiefe und Höhe; der feste Körper aber hat zu den Dimensionen hin noch Härte und Widerstandskraft. Sodann ist es der Schrift geläufig, auch das, was stark und unnachgiebig ist, Feste zu nennen, so z. B. auch von der oft stark zusammengepreßten Luft diesen Ausdruck zu gebrauchen und zu sagen: „Der den Donner befestigt8.” Die Kompression und den Gegendruck der Luft, die im Schöße der Wolken eingeschlossen ist und in gewaltsamem Ausbrechen das Donnerhallen verursacht9, nannte die Schrift die Feste des Donners. Und so glauben wir auch hier diesen Ausdruck gebraucht für eine feste Natur, die das schlüpfrige und leicht verfließende Wasser zusammenzuhalten vermag. Indes dürfen wir nicht glauben, daß das Firmament, weil nach allgemeiner Annahme wohl dem Wasser entstiegen, gefrorenem Wasser vergleichbar sei oder irgendeiner derartigen Materie, die dem Niederschlag der Feuchtigkeit ihr Dasein dankt, wie der Kristall(-stein), der sich durch gesteigertes Gefrieren des Wassers bilden soll10, oder der Spiegelstein11, der unter den Metallen kristallisiert12. Es ist S. 48 aber dieser Stein durchsichtig, hat einen besonderen und sehr reinen Glanz, ein Stein, der in seiner natürlichen Reinheit, frei von Unrat und tiefen Rissen angetroffen, an Durchsichtigkeit der Luft fast gleichkommt. Doch mit keinem von diesen Dingen vergleichen wir das Firmament. In der Tat, nur ein kindischer, einfältiger Kopf kann sich von den himmlischen Körpern solche Vorstellungen machen. Und wenn auch alles ineinander ist, das Feuer in der Erde, die Luft im Wasser und desgleichen von den übrigen Elementen das eine im andern, ja keines der sinnfälligen Elemente rein und unvermischt ist, und zwar wegen der Verbindung entweder mit dem mittleren oder dem entgegengesetzten Elemente, so wagen wir dennoch nicht zu entscheiden, ob das Firmament aus einem einfachen Elemente oder aus einer Mischung mehrerer solcher bestehe; wir sind ja von der Schrift belehrt, unserm Verstande in keiner Weise zu gestatten, über die erlaubten Grenzen hinauszugehen.
Wir sollen aber auch das nicht unerwähnt lassen, daß, nachdem Gott befohlen hatte: „Es werde die Feste!” nicht schlechthin gesagt wurde: „Und es ward die Feste”, sondern: „Und Gott machte die Feste”, und wiederum: „Gott machte eine Scheide.” Hört, ihr Tauben, schaut empor, ihr Blinden! Wer ist denn taub, wenn nicht der, der den Geist nicht hört, trotzdem er so laut ruft? Und wer ist blind? Doch der, der trotz so deutlicher Beweise für den Eingebornen keinen Blick hat. „Es werde die Feste!” Das ist die Stimme der uranfänglichen Ursache13. „Gott machte die Feste.” Das ist das Zeugnis der tätigen und schöpferischen Macht14.
Gen 1,6.7 ↩
στεϱέωμα ↩
Ps 17,3 ↩
Ps 74,4 ↩
Ps 150,1 ↩
πϱὸς ἀντιδιαστολήν ist ein griechischer Kunstausdruck ↩
μαϑηατικόν. Leukipp und Demokrit haben dafür den Terminus κενόν (Arist. Frg. 202) ↩
Amos 4,13 ↩
vgl. Plinius, hist. Nat. II,43 ↩
vgl. Plinius, 1 c. XXXVII,9 ↩
τοῦ σπέκλου ϕύσις. Andere Handschriften: τοῦ σπεκλαϱίου ϕύσις = Marienglas, Frauenglas. Ward verwendet zu Fensterscheiben. Vgl. Linius, Ep. II,17, und Juvenal, Sat. IV,21 ↩
wird gefunden in Schweden, Norwegen, Sibirien, Mexiko, Peru ↩
πϱοκαταϱκτικῆς αἰτίας ↩
Die der Eingeborne ist ↩
