3.
Zweitens ist zu untersuchen, ob dieses Firmament, das auch Himmel genannt wurde, von dem „im Anfange” geschaffenen Himmel verschieden sei, und ob es überhaupt einen zweiten Himmel gebe. Diejenigen, die über den Himmel philosophiert haben1, würden sich ja lieber die Zunge herausreißen lassen denn dies als wahr annehmen. Sie nehmen nur einen Himmel an und meinen, dieser habe eine Natur, daß ein zweiter, dritter oder vielfacher Himmel daneben nicht bestehen könne, da die ganze Substanz des himmlischen Körpers bei der Gestaltung des einen Himmels aufgebraucht worden sei. Nach ihnen gibt es nur einen rotierenden Körper, und zwar einen begrenzten. Ist dieser für den ersten Himmel aufgebraucht worden, so bleibe zur Entstehung eines zweiten oder dritten nichts mehr übrig. So spintisieren die, welche dem Schöpfer eine ungeschaffene2 Materie an die Hand geben, und aus dem ersten Schwindel verfallen sie auf die darauffolgende Lüge. Wir ersuchen aber die griechischen Weisen, uns nicht eher zu verlachen, als bis sie selbst unter sich einig geworden sind. Denn einige unter ihnen behaupten, es gebe unzählige Himmel und Welten3 Wenn aber andere diese unglaubliche Annahme mit gewichtigeren Beweisen widerlegen und mit mathematischen Schlußfolgerungen dartun, daß die Natur außer dem einen keinem zweiten Himmel Raum lasse, dann werden wir über ihr geometrisches und kunstgerechtes Geschwätz noch mehr lachen. Denn obschon sie sehen, daß aus gleicher Ursache sowohl eine wie viele Wasserblasen aufsteigen, zweifeln sie doch daran, ob die schaffende Kraft eine Mehrzahl von Himmeln habe ins Dasein rufen können. Denn dieser Himmel Wucht und Größe bedeuten unserer Ansicht nach nichts mehr als die hohlen Bläschen, die in dem S. 45 Springbrunnen aufsteigen, sobald man auf die Erhabenheit der Macht Gottes sieht. Deshalb ist ihre Rede von der Unmöglichkeit4 lächerlich. Wir aber zweifeln so wenig an einem zweiten Himmel, daß wir sogar nach einem dritten suchen, dessen Anblicks der selige Paulus gewürdigt wurde5. Der Psalm, der vom „Himmel der Himmel” redet6, legt uns gleichfalls den Gedanken an mehrere Himmel nahe. Das ist doch nicht erstaunlicher als die sieben Kreise, in denen nach fast einstimmiger Annahme die sieben Planeten sich bewegen, und die laut Theorie nach Art ineinandergepaßter Gefäße einer dem andern sich einfügen7. Diese Planeten, die eine dem Weltall entgegengesetzte Bahn laufen, sollen, wenn sie den Äther durchschneiden, einen so wohltönenden und harmonievollen Klang abgeben, der wonniger sei als alle Melodien. Fragt man dann diese Theoretiker nach sinnenfälliger Bezeugung, was antworten sie? Wir hätten in urdenklicher Angewöhnung an den Klang von der ersten Stunde unseres Daseins an so sehr uns an ihn gewöhnt, daß wir durch das viele Hören den Sinn dafür verloren hätten8, wie ja auch die, die ständig in der Schmiede arbeiten, das Gehör einbüßen. Doch diese faulen Sophismen - als das erscheinen sie ganz klar einem jeden schon beim ersten Anhören - zu widerlegen, ist nicht Sache eines Mannes, der mit seiner Zeit zu sparen weiß und der Einsicht seiner Zuhörer noch etwas zutraut. Überlassen wir das Profane „denen, die draußen stehen9”, und nehmen wir wieder unsere kirchliche Rede auf.
Es haben nun einige vor uns gesagt, es handle sich hier nicht um die Schöpfung eines zweiten Himmels, sondern nur um eine genauere Erklärung des ersten. Denn an erster Stelle werde die Erschaffung von Himmel und Erde im allgemeinen angegeben, hier aber gebe uns die S. 46 Schrift eine genauere Schilderung der Art und Weise, wie jedes Ding entstanden ist. Wir aber sagen: Weil uns ein anderer Name10 und eine eigene Bestimmung11 des zweiten Himmels überliefert worden ist, deshalb ist dieser zweite ein anderer als der im Anfang erschaffene, ein Himmel festerer Natur12 und mit besonderer Bestimmung für das All.
vgl. Plato im Timäus c. 11 ↩
ἀγέν(ν)ητον ↩
Demokrits Auffassung (vgl. Cicero Acad. II,55), und vor ihm auch Anaximander (Diogenes Laertius II, 1, 2). ↩
nämlich: mehrerer Himmel ↩
vgl. 2 Kor 12,2 ↩
Ps 148,4 ↩
diese Sphärentheorie kennt schon Pythagoras und seine Schule. Vgl. Cicero, De republ. VI, c. 17f ↩
vgl. Cicero 1. c. c. 19 ↩
vgl. 1 Kor 5,12.13; Kol 4,5; 1 Tim 3,7 ↩
„Firmament” ↩
„Sie scheide” ↩
deshalb „Firmament” = „Feste” ↩
