8.
„Und Gott nannte die Feste Himmel[^137].” Diese Benennung paßt ja eigentlich auf etwas anderes, aber der Ähnlichkeit halber bekommt auch die Feste diese Bezeichnung. Wir haben aber beobachtet, wie vielfach der Raum, den wir sehen, Himmel genannt wird, und zwar wegen der dichten und zusammenhängenden Luft, die deutlich in unser Gesichtsfeld fällt, und wie er eben deshalb, weil er gesehen wird (παϱὰ τὸ ὁϱᾶσϑαι), die Benennung „Himmel” (οὐϱανὸς) bekommt[^138], so wenn z. B. die Schrift sagt: „Die Vögel des Himmels[^139]” und wiederum: „Und die Vögel am Firmamente des Himmels[^140].” Ähnlich heißt es auch: „Sie stiegen hinauf bis zum Himmel[^141].” Und da Moses den Stamm Joseph segnete, erteilte er ihm die Segnungen von den Früchten[^142] des Himmels und des Taues, von den Sonnenwenden und Neumonden, vom Gipfel der Berge und den ewigen Hügeln[^143]; denn die Erdoberfläche dankt ihre Fruchtbarkeit der günstigen Stellung des Himmels. Auch bei den Verwünschungen spricht er zu Israel: „Der Himmel über deinem Haupte wird sein wie Erz[^144].” Was will er damit sagen? Es wird eine allgemeine Trockenheit S. 56 eintreten und ein Mangel an Wasser in der Luft, das der Erde die Fruchtbarkeit verleiht. Wenn er also sagt, daß Tau und Regen vom Himmel kommen, so verstehen wir darunter das Wasser, das laut Anordnung den obern Raum einzunehmen hatte. Denn wenn sich die Dünste in der Höhe sammeln und die Luft unter dem Drucke der Winde sich verdichtet, wenn so die bisher dunstartig und fein in den Wolken zerstreute Feuchtigkeit sich sammelt, so entstehen Regentropfen, die infolge der Schwere der verdichteten Feuchtigkeit herabfallen; so eben entsteht der Regen. Wird aber die Feuchtigkeit von den Winden gepeitscht und in Schaum verwandelt, der dann wegen heftiger Kälte ganz zusammengefriert, dann fällt, wenn die Wolke bricht, Schnee herab[^145]. Hieraus kannst du übrigens ersehen, daß jede feuchte Substanz in der Luft über uns ganz analog entsteht.
Vergleiche doch niemand mit der Kniffigkeit derer, die über den Himmel spintisiert haben, das Einfache und Ungekünstelte der geistlichen Reden. So hoch die Schönheit züchtiger Jungfrauen über der feiler Dirnen steht, so erhaben stehen unsere Reden über dem Geschwätz derer, die draußen stehen. Denn diese bringen ihre Worte höchstens auf eine erzwungene Wahrscheinlichkeit; hier aber wird die Wahrheit ohne Spitzfindigkeiten vorgetragen. Wozu sollen wir uns denn auch mit der Widerlegung ihrer Lügen abmühen? Genügt es doch, ihre Schriften einander gegenüberzuhalten und in aller Seelenruhe als Zuschauer ihres Streites dazusitzen. Nicht weniger an Zahl noch geringer an Ansehen, nur sehr verschieden durch die Geschwätzigkeit sind die, welche der gegnerischen Ansicht gegenübertreten und sagen, das Weltall würde im Feuer vergehen, aber dann aus den vom Brande zurückgebliebenen Samenstoffen wieder aufleben. Damit führen sie endlose Weltzerstörungen und Wiedergeburten ein. Doch diese sagen sich nach beiden Seiten hin los von der Wahrheit[^146] und suchen sich da und dort Auswege für ihren Irrtum.
