5.
Doch wir wollen unsere Rede wieder auf die Fortsetzung unserer Erklärung einstellen. „Sie scheide in der Mitte Wasser vom Wasser!” sagt die Schrift. Grenzenlos war, wie es scheint, die Flut der Wasser, die überall die Erde überschwemmten und über sie sich erhoben. So schien Wasser auch im Verhältnis zu den andern Elementen weit reichlicher vorhanden gewesen zu S. 49 sein. Deshalb ist auch im voraus gesagt worden, der Abgrund habe überall die Erde umgeben. Die Ursache für die Wassermasse wollen wir im nachfolgenden angeben.
Jedenfalls darf keiner aus euch, auch der allseitig Gebildete nicht, noch der, der die Dinge dieser vergänglichen und hinfälligen Natur scharf sieht, unserer Ansicht opponieren, als ob wir etwa vom Standpunkt der Vernunft aus unmögliche oder phantastische Voraussetzungen machten, noch darf man von uns verlangen, auf die Frage Rede und Antwort zu stehen, auf welcher Grundlage die Substanz des Wassers ruhe. Aus demselben Grunde nämlich, aus dem sie die Erde, die doch spezifisch schwerer ist als das Wasser, von den äußersten Endpunkten entfernen und in der Mitte schweben lassen, aus demselben Grunde werden sie ja gewiß auch zugeben, daß dieses unermeßlich viele Wasser sowohl wegen seines natürlichen Laufes nach unten wie auch wegen seines allseitigen Gleichgewichtes um die Erde herum stillstehe1. So war also die unermeßliche Wassersubstanz rings um die Erde ausgegossen, mit dieser nicht gleich groß, sondern um ein Vielfaches über sie hinausgehend, weil der große Werkmeister von Anfang an die Zukunft vorausschaute und deshalb schon die ersten Dinge in Rücksicht auf das spätere Bedürfnis anordnete.
Wozu nun das unsagbar viele Wasser? Das Weltall braucht die Substanz des Feuers nicht bloß im Interesse der erdgeschaffenen Dinge, sondern auch zur Vervollständigung des Universums. Denn mangelhaft wäre das Weltall, wenn ihm eines der wichtigsten und nützlichsten Elemente fehlte. Nun aber stehen diese beiden Elemente2 im Kampfe gegeneinander, und das eine will das andere vernichten, das Feuer das Wasser, wenn es die Oberhand gewinnt, das Wasser aber das Feuer, wenn es in größerer Menge vorhanden ist. Es durfte aber nicht zu gegenseitigem Kampfe kommen, noch mit dem gänzlichen Verschwinden des einen oder anderen S. 50 Elementes für das Weltall die Gefahr einer Auflösung erstehen. Deshalb schuf der Weltenlenker eine so gewaltige Wassermenge, daß sie trotz allmählichen Verdunstens unter der Einwirkung des Feuers bis zu den festgesetzten Grenzen des Weltbestandes ausreicht. Derjenige, der alles nach Gewicht und Maß ordnete3 - gezählt sind von ihm nach Job4 selbst die Regentropfen -, wußte wohl, wieviel Zeit er der Welt zu ihrem Bestehen bestimmte, und wieviel Nahrung für das Feuer vorzusehen war. Das ist der Grund für das Plus an Wasser bei der Schöpfung. Wie notwendig aber der Welt das Feuer, darüber wird wohl kein noch so weltfremder Mensch belehrender Worte bedürfen. Nicht bloß die lebensnotwendigen Handwerke wie Weberei, Gerberei, Baukunst und Ackerbau benötigen die Macht des Feuers, sondern auch das Wachstum der Bäume, das Reifen der Früchte, die Entstehung der Land- und Wassertiere, und ihre Nahrungsmittel wären weder im Anfang entstanden, noch hätten sie auf die Dauer genügt, wenn es keine Wärme gäbe. So war denn die Erschaffung der Wärme notwendig, um den Dingen das Dasein zu geben und sie im Bestand zu erhalten, notwendig auch der Überschuß an Feuchtigkeit, weil das Feuer unaufhörlich und unerbittlich davon zehrt.
