6.
Sieh dir ringsum die ganze Schöpfung an, und du wirst in allen Dingen bei deren Entstehen und Vergehen die Kraft der Wärme wirksam sehen. Darum ward in Fülle das Wasser über die Erde ausgegossen und über unsern Horizont hinaus erbreitert und dazu noch in alle Tiefen der Erde verteilt. Daher die Unzahl von Quellen, die Behälter der Brunnen, die strömenden Flüsse, Gießbäche wie perennierende Gewässer, wodurch eben in vielen verschiedenen Behältern die Feuchtigkeit aufbewahrt werden soll1. Von Nordosten fließt der Indus2, unter allen Strömen der wasserreichste, wie die S. 51 Geographen erzählen3. Aus dem mittleren Osten kommen der Baktrus4, der Choaspes5 und Araxes6, von dem der Tanais sich trennt und in den Mäotischen See7 fließt. Außer diesen münden der Phasis8, der im kaukasischen Gebirge entspringt, und zahllose andere Flüsse vom Norden her in das Schwarze Meer. Im Südwesten aber, am Fuße der Pyrenäen, entspringen der Tartessus und der Ister9; der erstere ergießt sich jenseits der Säulen des Herkules in das Meer, der Ister aber durchquert Europa und mündet im Schwarzen Meer, Doch wozu noch die anderen Flüsse aufzählen, die dem Ripäischen Gebirge10, das, weit über das innerste S. 52 Skythien hinausliegt, entspringen? Darunter ist auch der Eridanus11 nebst zahllosen anderen schiffbaren Flüssen, die an den westlichen Galatern (Galliern) und Kelten und deren benachbarten Barbaren vorbeifließen und sich alle in den westlichen Ozean ergießen. Andere kommen aus dem Süden, von oben durch Äthiopien und münden zum Teil in unser Meer12; zum Teil entleeren sie sich in das, welches über das schiffbare hinausliegt, so der Ägon, Nyses und der sogenannte Chremetes13, dazu auch der Nil, der eigentlich keinem Flusse mehr gleicht, wenn er einem Meere gleich Ägypten überflutet. So ist der bewohnbare Raum unserer Erde mit Wasser umgeben, von unzähligen Meeren eingeschlossen, von tausend unversieglichen Flüssen durchströmt - dank der unaussprechlichen Weisheit dessen, der die Anordnung getroffen hat, daß die dem Feuer entgegengesetzte Substanz nicht leicht verzehrt wird. Es wird zwar eine Zeit kommen, da alles im Feuer verbrennen wird, wie Isaias sagt, wenn er mit dem Gott des Weltalls also redet: „Der du zum Abgrund sprichst: Du wirst öde werden, und alle deine Flüsse werde ich austrocknen14.” Darum laß die törichte Weisheit fahren, und nimm mit uns die Lehre der Wahrheit an, deren Sprache zwar unbeholfen ist, dafür aber unfehlbare Erkenntnis bietet.
ὑπὲϱ τοῦ ... διατηϱεῖσϑαι τὴν ὑγϱασιαν geben die meisten Handschriften zu lesen ↩
Er emtspringt am nördlichen Abhang des Himalaja ↩
Aristoteles, Plinius, Ptolemäus und Strabo waren die bekannten und befragten Geographen. ↩
Fluß in Baktriane, der im Paropanisos entspringt, an Baktra vorbeifließt und dem Oxos zuströmt (Aristoteles, Meteorol. I. 18; Plinius n. h. VI, 48), der heutige Balchab, der im Kuhi-Baba-Gebirge entspringt (vgl. Tomaschek in Pauly-Wissowa, Realenzyklop. der klass. Altertumswissenschaft II2 col. 2814). ↩
Ein Strom des indobaktrischen Grenzgebietes, dessen Quelle gleichfalls im Paropanisos liegt (Arist., Meteorol. I, 13; Strabo XV, 697), der heutige Kûnar oder Khû, dessen Quelle am Südabhang des Hindukusch zu suchen ist (Tomaschek, ebd. III3 col. 2355). ↩
Basilius denkt hier nicht an den Araxes = Aras, der auf dem armenischen Hochland entspringt und ins Kaspische Meer mündet, sondern er folgt auch hier der Kenntnis bzw. dem Irrtum des Aristoteles (Meteorol. I, 13), der den Araxes wie die beiden eben genannten Flüsse vom Paropanisos (Paranosa) herabfließen und zugleich mit dem Tanais sich verbinden läßt. Es ist von Arist. der Jaxartes mit dem Tanais verwechselt, und der Araxes kann dann nur den Oxos bedeuten. Basilius verwechselt aber seinerseits sofort den (Jaxartes-) Tanais des Aristoteles mit dem (Don-) Tanais, der allerdings in den Mäotischen See fließt ↩
das Asowsche Meer ↩
bekannter Fluß in Kolchis, auch von Aristoteles (1. c.) genannt. ↩
Aristoteles schon läßt (Meteorol. I, 13. 19) den Fluß Tartessus (= Quadiana oder Quadalquivir oder Tajo (?)) wie den Ister (= Donau) auf den Pyrenäen entspringen ↩
Ein mythisches Gedankengebilde. Aristoteles glaubte zwar an die reale Existenz eines solchen Gebirges (Meteorol. I, 13; II, 1, 14). „Es wäre müßig, auf der Karte nach ihm zu suchen. Nirgendwo und wann ... hat man wirklich bodenständig ein Gebirge die Ripen genannt. Namen so gut wie Berge sind eine reine Fiktion des spekulierenden Geistes” (Kießling in seinem ausführlichen Artikel ϱίπαια ὄϱη) in Pauly-Wissowa a. a. O. col. 846-918) ↩
Eridanus. Dieser sagenhafte Strom wurde später geographisch zu fixieren versucht, nach Iberien verlegt und Rhodanus genannt (vgl. Plinius n. h. XXXVII. 22), bald mit der Rhone oder einem ihrer Nebenflüsse identifiziert, oder auch mit dem Po in Italien (Escher in Pauly-Wissowa a. a. O. VI, 1446 ff). ↩
das Mittelländische Meer ↩
Flüsse in Libyen (Aristot., Meteorol. V, 13). Fast alle geographischen Angaben und auch Irrtümer schöpft Basilius, wie ersichtlich, aus Aristoteles. ↩
Jes 44,27 ↩
